„Das A und O ist Diskretion“

Soft Secrets
22 Dec 2015

Interview über Cannabisanbau und Hanfkultur auf den Kanarischen Inseln


Interview über Cannabisanbau und Hanfkultur auf den Kanarischen Inseln

Photo:Johann Anderson vor seinem Cannabis Social Club

 

 

Johann Anderson ist schon lange in der Cannabis-Szene aktiv. Er ist der Erfinder des Video-Kiffer-Formats Exzessiv TV, das er später an seinen heutigen Produzenten verkaufte, hat jahrelang einen Headshop betrieben, Comics gezeichnet und die Hanfszene als kreativer Kopf belebt. Der Dresdner lebte lange in Bayern und Berlin, bevor er auf die Kanarischen Inseln, genauer: nach Teneriffa umzog. Wir haben ihn zur Cannabiskultur seiner Wahlheimat befragt. Ein Insidergespräch, das auch für Urlauber interessant sein dürfte.

Wie lange bist du schon auf Teneriffa, und was hat dich dorthin gezogen?

Ich bin seit Winter 2012 hier. Hergezogen hat mich die Gesetzeslage in Bezug auf Cannabis und Samenhandel, besser gesagt haben mir die deutschen Gesetze meine Arbeit quasi unmöglich gemacht. Nachdem mein letztes Verfahren wegen Knaster-Hanf – oder wie der Staatsanwalt meinte: wegen gewerbsmäßigem Handel mit Betäubungsmitteln – dann nach zehn Jahren wegen Verjährung eingestellt wurde, hatte ich dann die Schnauze voll und hab meine Sachen gepackt.

Und warum Teneriffa?

Hauptsächlich wegen des Klimas. Aber es ist auch gerade eine gute Zeit hier, damals machten die ersten Cannabis-Clubs im Süden auf, und es gab schon eine kleine, aber sehr aktive Cannabis-Szene. Viele Seedbanks, Züchter und Professionelle aus dem Hanfbereich sind inzwischen auf der Insel oder kommen zumindest mal durch, wenn sie auf eine der anderen Inseln fahren. Es ist einfach ein super Platz, es herrscht Aufbruchstimmung und geht vorwärts, ganz das Gegenteil zu dieser auf bessere Zeiten wartende, sich ständig im Kreis drehenden Piefigkeit in Deutschland.

Auf den Kanarischen Inseln gibt es ja eine blühende Cannabis-Szene. Kannst du uns zu Anfang etwas zur rechtlichen Situation auf den Kanaren erzählen?

Tja, das gute Recht. Der Vorteil hier liegt ja weniger in klaren Gesetzen, sondern vielmehr in der Abwesenheit derselben. Es gibt hier kein Betäubungsmittelgesetz, wo jeder Scheiß geregelt ist, sondern nur einen kleinen Absatz zu Cannabis, welcher im Groben sagt, dass der Umgang damit zu kommerziellen Zwecken verboten ist. Der Rest ist Auslegungssache von Gerichten, Gemeinden oder sogar von Polizisten. Das heißt aber auch: Was in der einen Gemeinde noch toleriert wird, kann ein paar Kilometer weiter schon anders gehandhabt werden.

Zur Situation hier auf den Kanaren: Im Grunde ist es wie in Spanien, es interessiert im Allgemeinen niemanden, was man in seinen vier Wänden macht. Solange man also zuhause, zu privaten Zwecken und ohne seine Nachbarn damit zu stören, sein Gras anbaut oder raucht, wird man keine Probleme bekommen. In der Öffentlichkeit ist der Transport und Konsum von Rauschmitteln allerdings untersagt. Hier kommt's auf die Menge an. Kleinere Mengen werden nicht als Straftat gewertet, sondern als Ordnungswidrigkeit, für die man dann allerdings eine ziemlich gepfefferte Geldstrafe bezahlt. Es ist also bei weitem nicht alles legal hier, vor allem in der Öffentlichkeit muss man aufpassen.

Wenn man dem Grower also keine Dealereien nachweisen kann, ist es eher easy, oder?

Kann man schon so sagen. Das A und O ist aber, wie in Deutschland auch, die Diskretion. Erstens kann man natürlich Strafen bekommen, wenn die Pflanzen vom öffentlichen Raum aus sichtbar sind. Aber viel schlimmer ist die Gefahr eines Diebstahls. Wenn man nur eine Handvoll

Pflanzen auf dem Balkon hat, wird die Polizei sie im Fall der Fälle wahrscheinlich nicht mal mitnehmen. Bei mehr Pflanzen muss man im Zweifel irgendwann dem Richter erklären, dass das wirklich nur zum Privatkonsum war. Wenn dann kein Handel nachgewiesen werden kann, wird man normalerweise auch freigesprochen bzw. wird das Verfahren eingestellt.

Und es gibt auf den Kanaren auch Cannabis-Samen und -Stecklinge. Werden die auch an Touristen abgegeben?

Samen sind legal in Spanien und dürfen auch an Touristen verkauft werden. Mit den Stecklingen ist es komplizierter. Eine klare Regelung gibt es nicht. Manche Growshops bieten sie offen an, bei manchen gibt es sie auf Nachfrage und bei manchen gar nicht. Einen richtigen Stecklingshandel mit zig verschiedenen Sorten und Großhändlern wie in Österreich gibt es hier aber nicht.

Du hast ja selber einen Versandhandel für Seeds, stimmt's?

Ich kaufe und verkaufe eigentlich gar nichts mehr, wenn man mal von Werbebannern absieht. Ich habe irgendwann mein komplettes Geschäft in den Laptop verlegt und mache fast nur noch digitalen Kram. Wobei ... zusammen mit cannapot.com betreibe ich ja doch ein bisschen einen Samenhandel. Ich habe irgendwann angefangen, eine Auktionsplattform speziell für kleine, unabhängige Cannabis-Seed-Züchter zu schreiben, um denen zu ermöglichen, ihre Samen ohne viel Aufwand weltweit anzubieten. Schaut euch mal my.cannapot.com an, falls ihr eure eigene Seedbank aufmachen wollt. Mein Projekt seedfinder.eu ist eine Datenbank für Cannabis-Sorten, Seedbanks und Shops und versucht mit Hilfe der von unseren Nutzern hochgeladenen Informationen die Spreu vom Weizen zu trennen. Desweiteren bin ich Mitbetreiber eines Cannabis-Clubs hier auf Teneriffa, quasi meine neue Homebase auf der Insel. Der Name ist Asociacion Club Medical THC (Acm THC Tenerife), ihr findet uns in Las Americas/Veronicas bzw. im Internet bei Facebook oder auf www.acmthc.org

Lass uns übers Growing auf den Kanaren reden. Was ist hier am Growing anders als in Deutschland?

Absolut alles ist anders. Ihr denkt, ihr habt Probleme mit Hitze oder Schädlingen? Hier ist es übel. Alles was fliegt, kreucht und fleucht oder schimmelt wird euch verfolgen, es gibt hier kaum was Grünes, das Viehzeug stürzt sich auf alles, was Blätter hat. Dazu kommt die Qualität des Wassers, ohne Osmoseanlage geht hier gar nix. Wenn dann noch der Calima kommt und in ein paar Stunden alles austrocknet ... Aber es ist natürlich auch nicht alles schlecht hier, ganz im Gegenteil. Wenn man die Probleme in den Griff bekommt, wird man mit Buds belohnt, die sich kaum von ordentlichem Indoor-Gras unterscheiden. Die Sonne knallt hier schon enorm runter, wir sind halt schon in Afrika hier.

Wie oft kann ein Grower auf den Kanaren outdoor im Jahr ernten?

Durch das milde Klima im Süden Teneriffas kann man das ganze Jahr über draußen anbauen, was bis zu fünf Ernten bedeutet bzw. soviele, wie du haben willst. Solange die Tage kürzer werden, muss man natürlich drinnen etwas vorziehen, aber sobald man es nach draußen stellt, fängt es auch zu blühen an.

Kann man bei euch eine Cannabis-Pflanze auf dem Balkon stehen haben?

Bei bis zu drei Pflanzen sagt keiner was. Kein Vermieter wird sich beschweren, kein Nachbar meckern. Man sollte sie ein wenig tarnen, dass man sie von der Straße aus nicht sehen kann, und natürlich darauf achten, dass man niemanden damit stört. Das machen übrigens sehr viele Leute hier. Als ich hergezogen bin, standen auf meiner Terrasse zum Beispiel schon drei Pflanzen, die hatte der Vormieter dagelassen ... echt praktisch.

Wie viele CSC gibt es auf den sieben Inseln?

Hier auf Teneriffa sollten wir mindestens 25 haben, die aktuell geöffnet sind, es könnten auch 40 sein. Es ist nicht genau zu sagen, da wesentlich mehr Vereine angemeldet wurden, aber nicht alle davon arbeiten. Auch werden Clubs manchmal wieder geschlossen, wenn sie sich nicht an die Regeln halten oder von der Gemeinde unerwünscht sind. Im lokalen Vereinsregister (Registro de Asociaciones de Canarias) gibt es auf jeden Fall schon mehr als 80 eingetragene Clubs mit unterschiedlichsten Vereinszwecken und Ausprägungen. Es wird sich zeigen, wie viele sich davon halten. Es gehört ja mehr dazu, als nur ein eingetragener Verein, man benötigt beispielsweise noch eine Lizenz für die Clubräume, wofür man aufs Goodwill der Behörden angewiesen ist.

Sind die CSC rein medizinische Clubs?

Im Allgemeinen nicht. Es gibt zwar ein paar Clubs mit einer überwiegend medizinischen Ausrichtung und besonderer Betreuung und Beratung der Patienten, aber auch dort kann man normalerweise genauso zur Entspannung konsumieren. Es gibt keine Trennung zwischen medizinischem Marijuana und Rauschhanf. Die meisten Clubs sind eher Erholungsräume, bieten aber, wenigstens auf Nachfrage, auch eine Auswahl an Tinkturen, Crèmes und anderen THC-/CBD-haltigen Substanzen an. Man richtet sich da ganz nach den Bedürfnissen seiner Mitglieder.

Können da nur Einheimische oder auch Touristen Mitglied werden?

Das ist eine schwierige Frage. Es gibt ja keine offiziellen Clubregeln. Alle Regeln sind selber aufgestellt und können sich je nach Region oder Ortschaft unterscheiden. Mit Touristen ergibt sich das Problem, dass der Zweck eines Vereins ja normalerweise die Selbstversorgung eines Freundeskreises ist. Die Leute sollten sich persönlich kennen und im Idealfall auch hier leben. Andererseits sind wir ja in Europa, wir haben das Freizügigkeitsabkommen, und jeder kann sich aufhalten, wo und wie lange er will. Es ist also schwierig zu sagen, ab wann man hier kein Tourist mehr ist. Viele haben ja auch Familie hier, besuchen Freunde und Bekannte oder liebäugeln mit dem Gedanken, hierher auszuwandern.

Um es kurz zu fassen: Hier im Süden kann es problematisch werden, als Tourist in einem Club aufgenommen zu werden. Der letzte Club, der massenhaft Touristen aufgenommen hat, sogar online, ohne persönlichen Kontakt, wurde nach ein paar Monaten von der Polizei geschlossen. und dieses Risiko will natürlich kein seriös arbeitender Club eingehen.

Es gibt aber eine Möglichkeit: die Beantragung der sogenannten N.I.E.-Nummer, was eine Art Registrierung bzw. Steuernummer ist. Dazu muss man zur örtlichen Polizei, holt sich dort das Formular ab, geht zur Bank, um zehn Euro zu überweisen, geht zurück zur Polizei, gibt die Papiere wieder ab und schon ist man kein Tourist mehr. Das ist natürlich ein wenig Rennerei, einen Vormittag sollte man schon dafür einplanen, aber keine Sorge, es entstehen einem dadurch keinerlei weitere Verpflichtungen. Um dann aber in einen Club zu kommen, braucht man jemanden, der dort bereits Mitglied ist und für einen bürgt.

Darf jedes Mitglied eines CSC selber growen?

Privat darf eh jeder growen, was er will. Im Club finden sich aber oft auch Leute zusammen, die keine Zeit, keine Ahnung oder keinen Platz zum Growen haben. Oder die körperlich nicht dazu in der Lage sind. Bei Eintritt in den Cannabis-Club unterschreibt jedes Mitglied eine Art Erlaubnis, welche den Club berechtigt, einen gewissen Bedarf an Cannabis für ihn/sie anzubauen. Der Hanf wird dann in vom Club gemieteten Räumlichkeiten von fest angestellten Gärtnern angebaut und in den Clubräumen gegen die Erstattung der Unkosten an die Mitglieder ausgehändigt.

Und es gibt auch einen eigenen Cannabis-Cup auf den Kanaren, stimmt's?

Einen? Im letzten Jahr sollten es etwa fünf gewesen sein. Der letzte war am 24. Oktober, der Secret Cup. Dann gibt es noch den Copa Cannaval Anfang März sowie eine Handvoll anderer. Die Cups hier sind meist von Clubs organisiert und dadurch natürlich auch weniger kommerziell geprägt als z. B. die HighTimes-Cups. Hier ist alles ne Nummer familiärer. Mit Barbecue, Musik und kostenlosen Proben überall. Aber es ist nicht so, dass hier nur einheimische Leute ihr lokales Gras testen. Die Cups sind schon international und bunt gemischt mit Cannabis-Fans aus aller Welt. Das Ganze dann bei super Wetter, mit Strand, Palmen und allem drum und dran. Was will man mehr?

Stimmt es, dass es bei euch richtige Kurse gibt, wo man lernt, BHO, Haschisch und so weiter herzustellen?

Jep, gibt es alles, meist veranstaltet von den Clubs oder auch von den örtlichen Growshops. Das Kiffen ist hier ziemlich verbreitet. Fast jeder tut es, das ist hier alles gar nicht so „cool“ wie bei uns, sondern eher ziemlich normal. Natürlich gibt es auch eine Legalisierungsbewegung. Hier ist ja auch nicht alles eitel Sonnenschein. Auch hier ist noch einiges im Argen mit den Gesetzen. Vor allem, was den Transport von Cannabis in der Öffentlichkeit betrifft – und die damit verbundenen, enorm hohen Geldstrafen. Gerade auch für Clubs ist der Transport vom Feld zum Club ein großes Problem. Hier und bei den Regeln für die Cannabis-Clubs allgemein bedarf es dringend einer Regulierung. Wir sind dabei, mit verschiedenen anderen, sauber arbeitenden Clubs zusammen einen Dachverband zu gründen, um mit eigenem Anwalt und gut vernetzt unser Anliegen vertreten zu können. Kurz gesagt: Hier gibt's Bewegung, wir jammern nicht rum, sondern versuchen, mit gutem Beispiel voranzugehen und die Behörden mit Taten zu überzeugen. Und wie es scheint, mit Erfolg!

 

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