Die Hanfparade 2015

Soft Secrets
04 Oct 2015

Zehntausend schwitzten in Berlin


Zehntausend schwitzten in Berlin


Die Love Parade zieht mehr Besucher, aber die Hanfparade mit ihrem politischen Charakter ist wichtiger: Hier geht es nicht nur um den schönen Tag, sondern auch darum, dass alle weiteren Tage schöner werden. Wir wollen die Pflanze mit dem wissenschaftlichen Namen „Cannabis“ nicht nur als Faserpflanze relegalisieren!

Bei der international tendenziell positiv zu wertenden Entwicklung in der Cannabispolitik hoffte man nicht nur bei den Veranstaltern, die letztjährigen Besucherzahlen wenigstens zu verdoppeln. Immerhin ist Hanf auch in Deutschland immer häufiger mit positiver Darstellungsweise in den „normalen“ Medien präsent. Hanf ist in aller Munde und wird durch die Gesellschaft zunehmend toleerden nicht mehr automatisch als „kriminell“ oder „krank“ stigmatisiert, sondern sind immer häufig akzeptierte Mitglieder der Gesellschaft.

Den Redebeiträgen vieler Sprecher (Hanfparade Berlin auf YouTube) ist zu entnehmen, dass man sich zum einen freut, dass Cannabis ein großes öffentliches Thema ist und sich viel Bewegung in die richtige Richtung abzeichnet. Zum anderen sehen einige alles kritisch, da man um seine persönlichen Freiheiten kämpft und der kriminalisierte Cannabismarkt langfristig voraussichtlich in einen strikt kontrollierten, regulierten, aber kommerziellen Markt gewandelt wird, auch im Privatleben. Es geht der Bewegung um mehr, als nur kiffen zu können: Man möchte als erwachsener Bürger nicht nur auf dem Papier frei, selbstbestimmt und mündig sein, sondern auch im richtigen Leben. Nicht nur in der Kernszene in und um die Hanfparade wird die Freude bei vielen durch ein aufkommendes Bauchgrummeln getrübt, und man weiß eben nicht genau, was kommen wird. Bei dem allgemeinen Kontroll- und Durchleuchtungswahn werden wir künftig gewiss sehr transparent wahrgenommen, auch wenn Marijuana legal zu haben ist. Aber eben deswegen eilt es mit der Legalisierung!

Bei der Hitze war es nachvollziehbar, dass viele nicht kamen. Dennoch hätten bei der derzeitigen nationalen und internationalen Entwicklung doch weit mehr Demoteilnehmer als in den letzten Jahren kommen müssen. Immerhin wird in Bremen, Hamburg, Berlin und anderen deutschen Orten immer konkreter über eine Cannabis-Legalisierung geredet, so, wie wenigstens ein Antrag (durch Monika Herrmann in Friedrichshain-Kreuzberg in Berlin) für entsprechende Genehmigungen bereits an das BfArM gesendet wurde und die Grünen ein sogenanntes Cannabiskontrollgesetz im Bundestag auf den Weg brachten. Es müsste Euphorie herrschen und Zehntausende auf die Hanfparade locken. Richtig schön war es trotz der Hitze, da genug Beschallung, Unterhaltung, Infostände und Redebeiträge während und nach der Demo geboten wurden. Als besonderes Highlight durften mehrere „Jesusse“ ein besonders schweres Prohibitionskreuz schleppen, welches sie im symbolischen Akt den Linken auf den Paradewagen warfen.

Auf der Dinafem-Bühne und der Sensi Seeds Bühne wurde für ein musikalisches und politisches Programm gesorgt, wer wollte, konnte sich in den Wald zum Chillen oder zur anderen Seite der Straße zum Feiern zurückziehen. Zwischen der Beschallung fanden sich das Nutzhanfareal, die Patientenecke, Infostände von DHV und Encod sowie die Linke. Es handelt sich um eine „kleine Loveparade“ mit erheblich mehr Inhalten. Jeder Besucher konnte sich seine Programmpunkte aussuchen und nur die Abschlusskundgebung oder nur den Demozug mitnehmen, um die Hanfparade dadurch zu unterstützen. Die Veranstaltung verläuft in den letzten Jahren mit immer weniger spürbarer Repression gegen die Besucher, und es ist (auf einer Hanfdemo nicht anders zu erwarten) immer sehr friedlich. Trotz der Bequemlichkeit der Wohlstandsbürger sind mit 8.000 bis 10.000 Gästen immerhin 1500 bis 3500 Teilnehmer mehr als 2014 gekommen.

Es stellt sich deutlicher denn je die Frage, wie egal ist dem deutschen Bürger die Welt, die hinter seinem Gartenzaun anfängt? Das Thema Hanf befindet sich für viele leider außerhalb des eigenen Gartenzauns, solange der hilfsbereite Beamte noch unwissend am Haus vorbeiläuft und es nicht stürmt. Es ist natürlich nicht richtig und sogar schlimm, wenn es immer wieder andere trifft, aber man hat auch einiges zu tun: Bei dem Wetter baden gehen und anschließend in der Wirtschaft Bier trinken! So zumindest in Berlin, einer 3,4 Millionenstadt mit vermutlich Hunderttausenden Kiffern, die derzeit noch kein Problem mit der Polizei haben und denen es nicht wichtig genug ist, kein überteuertes, durch Pestizide und Streckstoffe verseuchtes Weed zu rauchen.

 

In der Cannabis-Szene sollte allen bekannt sein, dass es keine gewalttätigen Hanf-Revolutionen geben kann, das geht mit Kiffern nicht. Auf deutschem Boden scheint derzeit allerdings auch keine friedliche Cannabis-Revolution stattzufinden, sondern Deutschland schwimmt lediglich mal wieder bei der internationalen Entwicklung mit. Erstaunlich ist es, dass man jetzt doch zwei Gänge zulegt, um nicht noch die internationale EU-Schlusslichtposition einnehmen zu müssen. Deswegen verwundert es, dass auf der Hanfparade, erneut wie in den Jahren zuvor, sinngemäß auch diese These vom Rednerwagen zu hören war: „Es sollte klar sein, dass die Cannabislegalisierung nicht von heute auf morgen kommt, sondern, dass noch Jahre darum gekämpft werden muss.“ Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband ergänzte: „Ich werden die Legalisierung ganz sicher noch erleben.“ Das hört sich nach einem Horizont von 10 bis 20 oder vielleicht sogar mehr Jahren an. Bei dem jetzigen Tempo derzeitiger positiver News aus aller Welt und auch aus Deutschland müsste man doch eher gesagt haben: „In den letzten Jahren haben wir noch einen Horizont von über zehn Jahren angesetzt, bis Cannabis legalisiert sein wird. Aber voller Optimismus sagen wir heute, dass es in weniger als nur fünf Jahren vollbracht sein kann, wenn wir es nur wollen und in den kommenden Monaten und Jahren richtig Druck machen!“

 

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