Die Revolution in der Urbanen Landwirtschaft

Soft Secrets
06 Aug 2015

Da die Weltbevölkerung in immer größerer Zahl in unsere wuchernden und verschmutzten Metropolen drängt, stellt sich das Problem, wie die anschwellenden Massen von Stadtbewohnern ernährt werden sollen, in zunehmender Schärfe. 


Da die Weltbevölkerung in immer größerer Zahl in unsere wuchernden und verschmutzten Metropolen drängt, stellt sich das Problem, wie die anschwellenden Massen von Stadtbewohnern ernährt werden sollen, in zunehmender Schärfe. 

Da die Weltbevölkerung in immer größerer Zahl in unsere wuchernden und verschmutzten Metropolen drängt, stellt sich das Problem, wie die anschwellenden Massen von Stadtbewohnern ernährt werden sollen, in zunehmender Schärfe. Geeignete Habitate für Obst- und Gemüsearten einzurichten, von denen wir abhängig sind, kann sich in einer städtischen Umwelt als extrem schwierig erweisen. Außer den hohen Grundstückspreisen können sich die örtlichen klimatischen Bedingungen durch das Wachstum der Stadt erheblich verändern und nachteilige Auswirkungen auf den Anbau haben. Und es ist ein wirklich drängendes Problem: Die Preise für Nahrungsmittel sind derzeitig weltweit auf Rekordniveau, und viele arme Menschen in den Städten sehen sich einer zunehmenden Unsicherheit der Versorgung mit Nahrungsmitteln ausgesetzt - ein Problem, das eine wachsende Anzahl von Ländern gemein haben, da sich die globale Rezession verstärkt.

Um dieser wachsenden Unsicherheit entgegenzutreten, wurden überall auf der Welt verschiedene urbane Anbauprojekte angeregt, und viele sind bereits in die Praxis umgesetzt worden. In den meisten US-Großstädten laufen zur Zeit dementsprechende Projekte, in einigen der größten Ballungsräume wie New York City, Philadelphia, Los Angeles und die Bay Area um San Francisco mit großem Erfolg. Durch die Neuentwicklung heruntergekommener Orte und kreatives Denken (Gemüsegärten auf Hausdächern sind ein hervorragendes Beispiel) ist es möglich, mit relativ kleinem Einsatz einen großen Gewinn zu erzielen - aber trotz der zahlreichen Erfolgsgeschichten sind wir von sich selbst versorgenden Städten weit entfernt.

Über die Jahre hat der Transfer von Know-How zwischen legalen Landwirten und (zumeist) illegalen Cannabisgrowern großartig geklappt. Für die ersten Indoor-Cannabisgrower war der bereits vorhandene und allgemein verfügbare Schatz an Wissen über den Innenanbau von großem Nutzen, und aufgrund des hohen Selektionsdrucks hinsichtlich effizienter, geheimer und schonender Systeme wurden sie und ihre Nachfolger zu den führenden Experten auf diesem Gebiet. Jetzt erweist sich ihr Wissen als wertvoll für die urbane Landwirtschaft; Liaisons zwischen Cannabisgrowern und verschiedenen Urban Farming-Initiativen kommen in einigen Bereichen immer häufiger zustande - obwohl über sie aus naheliegenden Gründen wenig berichtet wird.

Die Kunst, aus einem begrenzten Raum ohne Qualitätseinbußen einen hohen Ertrag herauszuholen, ist zweifellos die Spezialität des Marihuana-Growers. ≥Sea of Green" ist ein klassisches Beispiel eines Cannabis-Anbauverfahrens, das erfolgreich auf mehrere andere fruchttragende Pflanzen wie Tomaten, Bohnen und Erbsen übertragen worden ist. Diese Methode eignet sich für Gewächse, die sehr eng nebeneinander gepflanzt werden können und die nach einer sehr kurzen Wuchsphase blühen und Früchte tragen. Beispiele eines solchen Wissenstransfers in diese Richtung gibt es nur wenige, aber Cannabisgrower spielen auch aus anderen Gründen eine wichtige Rolle.

Der Cannabismarkt ist nach Schätzungen allein in den USA 120 Milliarden Dollar wert - und unter den ersten Anwendern neuer experimenteller Techniken finden sich oft Cannabisgrower -, was dazu beiträgt, weitere Forschungen zu ermutigen und schließlich zu verbesserten Produkten führt. Beleuchtungssysteme sind ein gutes Beispiel: Die Notwendigkeit, Wärmeentwicklung und Stromverbrauch herabzusetzen sowie aus dem Blickfeld der Strafverfolgungsbehörden zu kommen, brachte mit sich, dass LED-Beleuchtungstechnologien von der Cannabisszene begierig aufgenommen wurden, sogar schon in den frühesten Entwicklungsphasen, was half, unsere gegenwärtigen sehr wettbewerbsfähigen Standards zu erreichen. Heute sind LEDs für zahlreiche produktive kommerzielle Unternehmen die alleinige Lichtquelle - einschließlich Plantlab, ein vertikales Anbauprojekt in Den Bosch (Niederlande), deren Manager berichten, dass durch den Einsatz ihrer optimal eingestellten, hocheffizienten LED-Ausrüstungen im Vergleich zu konventionellen System ein dreimal höherer Ertrag erzielt wird.

Ähnlich verhält es sich mit der Hydroponik als einem intensiven, ertragreichen Anbauverfahren. Es wurde von den ersten Indoor-Growern so begierig übernommen, dass diese Methode bald nur noch untrennbar im Zusammenhang mit Cannabis gesehen werden konnte. Dies trifft immer noch zu: Die Anregungen von den Pionieren der neuen hydroponischen Urban Farming-Projekte wurden hin und wieder von Investoren kurzerhand verworfen wegen der damit verbundenen unangenehmen Assoziationen. Diese Projekte zu ignorieren könnte sich aber als sehr kurzsichtig erweisen, denn es gibt viele Anzeichen dafür, dass sie wirklich praktikable Optionen für eine nachhaltige Zukunftsgestaltung bieten.

Große vertikale Farmen wurden als mögliche Lösung der Nahrungsmittel-Versorgungskrise bereits 1915 vorgeschlagen, und über die letzten Jahre bekam die Bewegung beträchtlichen Zulauf, vor allem seit der Veröffentlichung des Werkes The Vertical Farm von dem Ökologen Dickson Despommier im Jahre 1999. In Linkoping (Schweden) wird an etwas gebaut, von dem sie behaupten, es sei die weltweit erste vollautomatische Konzeption einer vertikalen Farm - der Plantscraper, der als Muster für zukünftige Projekte dient. Während man dem Konzept, soviel vertikalen Raum wie möglich zu nutzen, in agrokulturellen Kreisen schwerlich eine revolutionäre Bedeutung beimessen kann, wird die Idee von speziellen, nur für den Anbau von Nahrungsmitteln konstruierten Wolkenkratzern aus verschiedenen Gründen sehr kontrovers diskutiert.

Kritiker weisen auf die Umwelt- und finanziellen Kosten solcher Projekte hin, die den Nutzen übertreffen würden, und es trifft sicherlich zu, dass - zurückhaltend geschätzt - die Kosten für ein 21-stöckiges Hochhaus etwa 84 Millionen Dollar betragen - eine Summe, die nur von den größten Agrarkonzernen (oder ironischerweise von den vermögendsten Cannabisproduzenten) aufgebracht werden könnte. Die Gebäude würden zusätzliche Beleuchtung, Bewässerungs- und automatisierte Systeme benötigen - von den Baumaterialien selbst ganz zu schweigen, die oft aus sehr umweltschädigenden Steinbrüchen gefördert werden.

Die Befürworter des Vertical Farming-Konzepts sind sich indessen sicher, dass die Betriebskosten bei einer wohldurchdacht konstruierten vertikalen Farm minimal ausfallen würden. Durch Anwendung einer bereits existierenden Technologie - Verticrop? von der britischen Firma Valcent Technologies - lassen sich Berichten zufolge bei einem täglichen Stromverbrauch, der dem eines Desktop-PC in zehn Stunden entspricht, im Jahr eine halbe Million Kopfsalate produzieren, und zwar sieben Mal billiger als mit konventionellen Methoden. Ein weiterer Vorteil eines geschlossenen vertikalen Systems ist die relative Gewissheit, dass die Anbaupflanzen erfolgreich zur Reife gelangen; denn unsere Ackerflächen sind ruiniert durch die verheerenden Auswirkungen invasiver Monokulturen, wir erleben zurückgehende Ernten. Möglicherweise werden Investitionen in Vertical Farming-Projekte von objektiven Geldgebern bald als attraktiver und sicherer angesehen als Investitionen in die traditionelle Landwirtschaft überhaupt.

In den USA schießen vertikale Systeme nicht aus dem Boden, wie es sich die Despommier-Schule erhofft hatte. Vor einigen Jahren wurde auch viel Aufhebens gemacht um einen Vorschlag, einen 200-Millionen-Dollar-Tower in Las Vegas zu errichten, doch die städtischen Behörden verneinten die Existenz eines solchen Plans. In Chicago indessen wurde der Bau von "The Plant" (früher ein Lagerhaus für verpackte Fleischprodukte) begonnen, deren Umbau zu einer netzunabhängigen vertikalen ≥Netto-Null-Farm„ in diesem Jahr abgeschlossen sein wird, und dann ihren Strom aus einem anaeroben Vergärungssystem bezieht, das täglich 10 000 Tonnen Lebensmittelabfälle verbraucht. Dieses Projekt wird teilweise mit Zuschüssen des Illinois Department of Commerce and Economic Opportunity finanziert und ist ein gigantischer Schritt in die richtige Richtung, der im Falle des Erfolgs schon bald in anderen Städten wiederholt werden könnte. Manche behaupten fest, eine ideale Urban Farming-Umgebung sei für unsere Spezies in ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstadium sogar besser als die traditionelleren Outdoor-Methoden.

Zum einen stehen die Systeme für die Abwasserbehandlung schon bereit, die gewährleisten könnten, dass sich möglicherweise schädliche Abflüsse sicher auf den städtischen Bereich begrenzen lassen und keinesfalls den Weg ins Grundwasser finden, wobei sich menschliche Ausscheidungen als Dünger nutzen ließen. Zudem ist die Nähe des Nahrungsmittelangebots zum Verbraucher äußerst wichtig: Die Anzahl der zurückgelegten Kilometer und der immense Benzinverbrauch aufgrund des Transports landwirtschaftlicher Erzeugnisse zum Verbraucher über riesige Distanzen ("food miles") trägt erheblich zum derzeitigen Stand der Emissionen bei, und wenn Nahrungsmittel vor der Haustür von den 60% der Weltbevölkerung, die in Städten leben, produziert würden, hätte sich die Sache mit den "food miles" fast erledigt. Der armen Stadtbevölkerung dürfte eine nachhaltige, sichere und billige Versorgung mit abwechslungsreichen Lebensmitteln sehr zugute kommen, und die Möglichkeit, neue Jobs zu schaffen sowie kommunale Beschäftigungsinitiativen auf diesem Gebiet könnten dazu beitragen, die Armut weiter zu verringern. Theoretisch ließe sich die Qualität des urbanen Lebens und der Umwelt erheblich verbessern.

Nicht nur das urbane Umfeld würde profitieren: Die Einrichtung eigenständiger urbaner Farmen würde den Druck auf unsere geplagten ländlichen Ökosysteme deutlich abschwächen und sie könnten sich erholen. Die Vorteile, es nur einem kleinen Teil der etwa 160 000 000 Hektar Ackerland in den USA zu erlauben, in seinen Naturzustand zurückzukehren, wären immens - eine neue Chance für mehr Biodiversität, Bienenvölker könnten sich erholen und sichtbare Narben in unserer Landschaft würden von neuer Vegetation überdeckt.

Die vertikalen Systeme, die nun in die Praxis umgesetzt werden, sind - wenn auch in sehr geringerem Umfang - in den letzten zwei oder drei Jahrzehnten von Cannabisgrowern (unter anderen) getestet und funktionsfähig gemacht worden. Während die nun beabsichtigten Projekte im Vergleich zu denen der Cannabisgrower eine ganz andere Dimension haben, unterscheiden sie sich hinsichtlich der Konzeption nur unwesentlich. Beispielsweise die Beleuchtungs-, Belüftungs- und Bewässerungssysteme, die wahrscheinlich zur Anwendung kommen, sind wohl jedem Cannabisgrower, der den Anbau hydroponisch betreibt, vertraut. Ein 30-stöckiger Wolkenkratzer würde auf einzelnen Stockwerken viele verschiedene Umgebungen enthalten, und die verschiedenen Stockwerke würden als vergrößerte Version der Stapelsysteme funktionieren, wie sie heute erhältlich sind. Stapelsysteme eignen sich für den Anbau zahlreicher Nutzpflanzen wie Kopfsalat, Sprossen und Pilzen.

Über die Berücksichtigung ökonomischer Faktoren hinaus liefert Cannabis einen ganz besonderen Grund, warum sich die Leute mit Pflanzen beschäftigen, die grundlegenden Ideen verstehen und sie, falls notwendig, auf den Anbau anderer Kulturpflanzen übertragen wollen, und weshalb das natürliche Interesse an der Haltung von Pflanzen wiederauflebt, das bei so vielen Städtern verlorengegangen ist. Ein exzellentes Beispiel bietet die Farm "Shop Collective" in London, die sich bemüht, Community-Mitglieder aus allen Schichten zu gewinnen; sie wird fast ausschließlich "ehrenamtlich" geführt und regelmäßig von lokalen Cannabisgrowern besucht, die gerne Ratschläge geben - und die Mitglieder sind nicht abgeneigt, sie aufzunehmen!

Zur Unterstützung des urbanen Anbauers steht eine Vielzahl an ausgefeilten, langlebigen Produkten zur Verfügung. Für einen minimalen Betrag ist es möglich, einen kleinen Garten anzulegen, wo immer Platz ist. Einfache vertikale Stapelsysteme wie der Hydrostacker? oder der Vertigro® bieten flexible Lösungen für alle Ansprüche - sie sind im Internet ganz einfach zu finden, aber auch jedes lokale Gartenfachgeschäft sollte derartige Systeme für den Eigenanbau haben.

Jeder, der erfolgreich eine Cannabisplantage angelegt hat, wird wenig Probleme haben, ein anderes System zu verstehen, und das Einzige, was man darüber hinaus kennen muss, sind die individuellen Bedürfnisse der jeweiligen Kulturpflanzen. Ein Blick in den Old Farmer's Almanac oder ein ähnliches Werk liefert größtenteils die benötigten Informationen - darüber hinaus muss man für die Erstinstallation nur wenig Zeit opfern und noch weniger Zeit (täglich oder alle zwei Tage) für die Betreuung. Die benötigte Zeit hängt von den gewählten Anbaupflanzen und vom Umfang des Projekts ab, daher der Rat, es erst einmal einfach und übersichtlich zu gestalten.

Wegen Cannabis wurden viele Leute, die sonst keine Veranlassung gesehen hätten, sich einschlägige Kenntnisse anzueignen, zu wahren Experten für die komplizierten Methoden der Pflanzenzucht sowie des -anbaus, und ihre Fachkenntnisse werden dringend gebraucht. Wenn jeder Cannabisgrower einige Stunden pro Woche für eine "ehrenamtliche" Mitarbeit in einem lokalen Community Farm Shop erübrigen könnte - oder um einen freien Platz auf einem Balkon oder Dach ausfindig zu machen und ihn in ein fruchtbares Paradies saftiger, essbarer Grünpflanzen zu verwandeln - könnten wir gemeinsam in unseren Communities sehr viel bewegen und unseren Teil dazu beitragen, die sich hartnäckig haltenden negativ besetzten Assoziationen im Zusammenhang mit dem Cannabisbusiness zu eliminieren.

Die Zukunft wird wohl aus Wolkenkratzern bestehen, die bis unters Dach mit einem Aufgebot delikater Kulturpflanzen gefüllt sind, aber ebenso wichtig werden die Anstrengungen kleinerer lokaler Communities sein, die mit der Zeit dazu führen werden, dass jedes einzelne Mitglied der städtischen Gesellschaft daran beteiligt sein wird.

 

S
Soft Secrets