Ein mobiler Coffee Shop in Berlin?

Exitable
09 Sep 2014

Die Grünen stehen in der deutschen Legalisierungsbewegung in starker Kritik, da sie seit vielen Jahren im Wahlprogramm stehen haben, dass sie Marijuana relegalisieren wollen. Bislang haben sie viele Chancen ungenutzt verstreichen gelassen - nicht nur in


Die Grünen stehen in der deutschen Legalisierungsbewegung in starker Kritik, da sie seit vielen Jahren im Wahlprogramm stehen haben, dass sie Marijuana relegalisieren wollen. Bislang haben sie viele Chancen ungenutzt verstreichen gelassen - nicht nur in

Die Grünen stehen in der deutschen Legalisierungsbewegung in starker Kritik, da sie seit vielen Jahren im Wahlprogramm stehen haben, dass sie Marijuana relegalisieren wollen. Bislang haben sie viele Chancen ungenutzt verstreichen gelassen - nicht nur in Baden-Württemberg. Jetzt hat sich die Bezirksverwaltung in Berlin-Friedrichshain unter der Initiative der Grünen mit Protesten der CDU dazu durchgerungen, einen Antrag für eine Ausnahmegenehmigung für einen Coffee Shop im Görlitzer Park zu beantragen. Oliver Becker, einer der Initiatoren der ersten Hanfparaden in Berlin, hat nicht vor, sich noch Jahre zu gedulden, bis Staatsbeamte über einen solchen Antrag entschieden haben. Dieser Mann macht aus seinem Vorhaben kein Geheimnis: Er will allen Ernstes am 21.06.2014 um 16.20 Uhr den ersten mobilen Coffee Shop Deutschlands im Görlitzer Park eröffnen, um Haschisch zu verkaufen. So jedenfalls die Aussage Beckers. Währenddessen sehen sich Tausende die Video- und Textnachrichten im Internet an, große und kleine Medien berichten und die Obrigkeit mitsamt der Polizei beobachtet alles sehr argwöhnisch. Bislang ist jedoch noch nichts Gravierendes passiert, was die Aktion verhindern könnte. Leider ist der Redaktionsschluss bereits am 20.06.2014 und so kann hier noch nicht genauer berichtet werden, wie es Oliver bei diesem mutigen Akt für die Vernunft und Menschlichkeit ergeht. Darüber werden wir natürlich noch ausführlich berichten. Hier jedoch ein kurzes Interview über den Ereignisverlauf bis zum Redaktionsschluss.

Oliver, wir habe dich nach dem GMM in Berlin auf dein Vorhaben angesprochen und konnten kaum glauben, als wir wenige Tage später online deinen Gewerbeschein gesehen haben. Du gehst auf das Amt, erklärst, dass du Haschisch nach Deutschland importieren und in Deutschland handeln willst und die geben dir dafür deinen Gewerbeschein?
Ja, richtig, wobei es sich nicht um einen Gewerbeschein handelt, sondern um eine Gewerbeanmeldung, um es genauer zu sagen. Ich sagte, es sei nicht verboten, sondern genehmigungspflichtig. Mein Anwalt hätte mir geraten, erst das Gewerbe anzumelden und dann den Antrag an das BfArM zu stellen. Hat der mir abgekauft und dann die Anmeldung ausgefüllt. Allerdings rief er mich drei Stunden später an und sagte, er hätte sich informiert. Um keinen Ärger mit dem Gewerbeamt zu bekommen, sollte ich es aber wieder abmelden, was ich am nächsten Tag auch machte. Die Anmeldung kostete 45 Euro und die Abmeldung 25 Euro. Aber das war es mir wert …

Du kennst dich in Marokko in den einschlägigen Milieus gut aus. Dennoch stehen Gespräche mit der marokkanischen Regierung ganz oben auf deiner Liste. Warum? Wie sind diese Vorverhandlungen bislang verlaufen?
In Marokko wird natürlich sehr viel darüber diskutiert, nachdem aus dem Mutterland der Prohibition dank Colorado und Washington der Druck verschwunden ist. Diese Diskussion wird hier aber auf einem ganz anderen Niveau geführt als in Deutschland. Der Anbau ist in den letzten Jahren merklich zurückgegangen, obwohl es auch nach dem Fall der Mauer mindestens sechs mal so viele Cannabis-Konsumenten in Europa gibt als damals. Eigentlich ein Widerspruch, aber das liegt nur daran, dass in Europa überwiegend Kunstlichtgras geraucht wird. Das bekommen die Bauern in Marokko voll und ganz zu spüren, alles wird teurer, nur die Preise für Haschisch bleiben seit Jahren unverändert. Ich selbst habe zwar einen Brief an den König geschrieben, diesen auch schon ins Arabische übersetzten lassen, ihn aber noch nicht abgeschickt. Das liegt daran, dass hier dann am nächsten Tag mindestens drei Generäle auf der Matte stehen und ich zuvor noch einige andere Sachen vorbereiten muss. 

Derzeit ist der Haschischanbau und -handel in Marokko noch verboten. Das Niemandsland im Rif-Gebirge hat sich jedoch für einen Bürgerkrieg gerüstet, um den Anbau auf Böden, die sonst nichts tragen würden, verteidigen zu können - erfolgreich und bislang ohne gravierende Gewaltakte. Du willst kiloweise Haschisch im Görli haben. Kaufst und transportierst du alles selber und endest vielleicht im marokkanischen Knast mit zwei Personen auf einem Quadratmeter?
Gewalt gibt es meines Wissens im Rif-Gebirge überhaupt nicht. Ich weiß nicht, wo du das her hast. Dort hat sich niemand zum Bürgerkrieg gerüstet. Das sind die friedlichsten Menschen, die ich kenne. Das Anbaurecht besteht schon seit Jahrhunderten und auch die marokkanische Regierung unternimmt nichts dagegen, außer vielleicht mal ein paar gefakte Aktionen, um die westlichen Regierungen milde zu stimmen. Klar sitzen auch 15.000 Menschen in marokkanischen Gefängnissen wegen Drogen. Als Europäer sitzt man aber in den allermeisten Fällen nicht länger als drei Monate, eher viel kürzer. Das kostet den Staat nur unnötig Geld. 

Meine Quellen sind bereits Jahrzehnte alt und haben es ein wenig so dargestellt. Aber weiter: Was sind das für Leute, die dir so viel Hasch verkaufen können, woher kennst du sie und kannst du ihnen bei solchen Geschäften vertrauen?
Sehr nette Menschen, die mir voll und ganz vertrauen, was soll ich auf eine solche Frage sonst antworten?

Du hast viel Freizeit in Marokko und bist auch auf dem Zagoa-Festival in der Sahara, im Rif-Gebirge und tummelst dich unter den Einheimischen. Wie sieht das Leben von Konsumenten in Marokko aus? Verstecken diese sich oder rauchen sie weiter, wenn eine Polizeistreife vorbei fährt?
Im Rif-Gebirge versteckt sich niemand. Sonst in Marokko geschieht es wie bei uns hinter geschlossenen Türen.

Welche Bedeutung hat Haschisch für das wirtschaftsschwache Land Marokko an sich?
Ich würde Marokko nicht unbedingt als wirtschaftsschwach darstellen. Seit Mohammed VI. hat sich sehr viel zum Positiven verändert. Es wurde sehr viel in die Infrastruktur investiert. Das Wirtschaftswachstum ist hier deutlich höher als in jedem europäischen Land. Die Bedeutung von Haschisch ist natürlich dabei auch sehr hoch und, wie schon gesagt, derzeit durch das Kunstlichtgras gehemmt. Ich bin, obwohl ich Deutschlands erster Hanfsamengroßhändler war, absolut gegen Kunstlichtgras, sogar gegen jegliche Art von Genetik, die mit Kunstlicht zu tun hat. Das ist meiner Meinung auch einer der Gründe, warum es durch die unnatürlich hohen THC-Werte in Europa mehr und mehr Probleme gibt. Ich unterstütze nur natürlich hergestellte Cannabisprodukte, und daher gilt mein voller Support dem marokkanischen Haschisch. 

Zugegeben, für afrikanische Verhältnisse ist Marokko vermutlich wirtschaftlich nicht schwach. Oliver, du erklärst, dass traditionelles Haschisch nur auf hohen Gebirgen wächst, weil die Pflanzen sonst ihren THC-Gehalt verlieren würden. Das Rif-Gebirge in Marokko ist ideal für den Anbau von Cannabis mit hohem THC-Gehalt geeignet. Würde die internationale Legalisierung nicht den wirtschaftlichen Aufschwung für das ganze Land bedeuten?
Marokko hat zwei Gebirge, die sich für natürliches Cannabis eignen. Das Rif-Gebirge, wo Haschisch hergestellt wird, und das Atlas-Gebirge, wo heute kein Anbau stattfindet. Im Rif kann man wegen des dort überall vorhandenen männlichen Pollenflugs kein qualitativ hochwertiges Marijuana herstellen, dafür könnte man aber neue Felder im Atlas erschließen. Hier wird in der Regierung gerade darüber diskutiert, auch in den Kunstlichtmarkt für medizinisches Marijuana einzusteigen. Da möchte ich eingreifen und sagen, das braucht ihr in Marokko nicht, ihr habt doch das Atlas-Gebirge, und ihr könnt im Gegensatz zu Deutschland auf natürliche Art und Weise hochwertiges Marijuana herstellen. Nur muss ich das den entsprechenden Stellen, bestenfalls dem König persönlich mit allen Hintergründen erklären. Und da bin ich mir sicher, man wird mir zuhören …

Die Absicht, eine Straftat zu verüben, gilt in Deutschland auch schon als Straftat. Hast du keine Angst, bei der Einreise nach Deutschland direkt festgesetzt zu werden?
Da gibt es schon gewisse Zweifel, dennoch ist es eine rein politische Handlung, wobei ich mich auf das Grundgesetz Artikel 20 Abs. 4 berufe.

Du bist freudiger Erwartung, wirklich am 21. Juni ab Punkt 16.20 Uhr den Verkauf auf dem Görli zu starten. Mit deinem Hippiemobil weithin sichtbar mitten auf dem Platz. Was denkst du, wird dir alles passieren können?
Da gibt es viele Szenarien, aber ich denke bei der Menschenkette um mich herum werden sich auch Polizisten in Uniform mit einreihen. Sie werden die Hände von Flüchtlingen, Rastafreaks usw. ergreifen, und diese werden sie in der Menschenkette mit großer Freude aufnehmen. Das werden die Bilder am 21.06. sein, die durch die gesamte Weltpresse gehen werden. Nicht die Mannschaftsaufstellung von Jogi Löw beim Spiel gegen Ghana wird die erste Nachricht in der Tagesschau sein, sondern das, was an diesem Tage im Görli abgeht, da bin ich mir sehr sicher. Die Polizei ist nicht mein Gegner, sondern mein Freund. In einem offenen Brief, den ich gerade schreibe, wende ich mich an alle Polizeibeamten und Polizeibeamtinnen, um ihnen klar zu machen, dass sie von der Politik, den Massenmedien und den Lobbyisten der großen Konzerne missbraucht werden. Der Görli ist nicht nur wegen der Diskussion um den Coffee Shop der richtige Ort für meinen Widerstand. Dort gab es unter dem Naziregime einen Bahnhof. Und genau von diesem Bahnhof wurden Hunderttausende von Juden in die Konzentrationslager gebracht. Es ist also einer der Orte, welche mit dem grausamsten Teil der Deutschen Geschichte in Verbindung gebracht werden muss. Mit meiner Aktion des Widerstands geht es mir ja hauptsächlich darum, den gesamten Drogenkrieg zu beenden. 

Möglicherweise wird die Polizei die ersten Deals abwarten und filmen und ein paar Scheinkäufer an dich herantreten lassen, um dieses dann als Beweismaterial gegen dich verwenden zu können, möglicherweise ist dein Verkauf nach 30 Minuten beendet. Das Medienecho wird jedoch international von Bedeutung sein. Denkst du, dass du mit dieser Aktion, als eine von vielen in Deutschland, jetzt den Fuß in die Tür bekommst und der legale Haschisch-Verkauf somit ermöglicht wird? Was versprichst du dir von dieser Aktion?
Wie gesagt, es wird noch diesen Sommer legal werden!

Hast du bereits mit einem guten Anwalt über alles geredet, sollte dein Unterfangen mit einer Anzeige enden?
Ich brauche keinen Anwalt. Jeder BtM-Anwalt wird mich nicht unterstützen, da ja ihre Arbeit nach einer Legalisierung überflüssig wird. Die sollten sich besser schon jetzt um eine neue Aufgabe kümmern …

Du hast bereits einige Jahre Hafterfahrung. Dass es ein paar mehr werden können, schreckt dich nicht?
Nein, und wenn sie mich einsperren, gehe ich direkt in den Hungerstreik, notfalls bis zum 9. August, dem Tag der Hanfparade. Das sind genau 50 Tage. Bis dahin wird sich meine Message verbreitet haben, auch wenn die Massenmedien die Sache totschweigen wollen.

Du hast unter www.holywoodstock.de eine noch nicht fertige Website aufgesetzt. Hier hast du dein Drehbuch „Legalisator II – Warum Haschisch verboten ist“ eingestellt. Zudem wirst du deine „Legalisator- Autobiographie“ mit Beginn vor über 20 Jahren laufend erweitern. Was versprichst du dir von diesen Projekten?
Meine Drehbücher habe ich bereits 2003, 2007 und 2010 geschrieben. Die ersten beiden könnte man direkt in Angriff nehmen, und das letzte ist zumindest als 10-seitiges Exposé vorhanden, muss also noch fertiggestellt werden. Eigentlich wollte ich nun die LEGALISATOR-Autobiographie schreiben, welche ja am 21.06. veröffentlicht werden soll, um auf meine Drehbücher aufmerksam zu machen. Aber heute, genau elf Tage vor der Veröffentlichung, muss ich gestehen, noch gar nicht mit dem Schreiben angefangen zu haben. Ich hatte zwar schon letztes Jahr drei Kapitel geschrieben, aber die aktuellen Entwicklungen laufen anders. Es ist auch nicht wichtig. Ein Kapitel werde ich wahrscheinlich noch schreiben, und das sollte zunächst ausreichend sein. Heute liest sowieso kaum noch einer ein Buch, und Filme sind das bessere Medium. Und auf www.holywoodstock.de werde ich noch was verändern, ich bin allerdings, wie man auf der Seite schon heute sehen kann, kein Webdesigner. Mit weniger Informationen erreicht man aber manchmal mehr. Und abschließend möchte ich nur noch sagen, danke für das Interview, und mein Künstlername ist LEGALISATOR – und dieser Name ist Programm!

Oliver, möglicherweise sind wir von der Soft Secrets live vor Ort, möglicherweise wird die Kommunikation ab dem 21.06.2014 schwieriger. Solltest du in U-Haft nicht direkt raus kommen, würden Telefongespräche nicht gestattet werden, Post würde Wochen benötigen und nur ein Anwalt kann als Kommunikator einspringen, möglicherweise auch Besucher, die jedoch nicht offen sprechen können. Es wird sich gewiss eine Möglichkeit finden und wir werden dann im September weiter berichten.

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Exitable