Freischein Patienten-Notstand?

Soft Secrets
21 May 2021

Viel Hoffnung lag im Cannabis-Medizin-Gesetz, das vor vier Jahren im März 2017 in Kraft trat, viele wurden erst einmal bitterlich enttäuscht. Gute 1000 Cannabis-Patienten hatten bereits eine Ausnahmegenehmigung und zahlten pro Apothekengramm rund 15 Euro. Als die Preise zuerst auf rund 25 Euro anzogen, war der Schock groß: Viele erhielten keine Kostenübernahme durch ihre Krankenkasse! Selbst wenn, hatten die Apotheken häufig Lieferengpässe.


Recht auf körperliche Unversehrtheit

Auch die neuen Cannabis-Patienten erhalten noch immer nicht automatisch ihre Kostenübernahme. Das soll sich nun möglicherweise ändern. Auch das würde nicht bedeuten, dass jeder berechtigte Patient einen mitwirkenden Arzt findet. Ohne diesen bleiben nur CBD-Produkte oder der Schwarzmarkt, dessen Qualität meist nicht annähernd medizinischen Ansprüchen genügt.

[caption id="attachment_41532" align="alignnone" width="1920"] Und wenn Ärzte und Kassen streiken?[/caption]

 

Das Grundgesetz besagt mit Art. 2 (2): „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetztes eingegriffen werden“.

Einige Cannabis-Patienten standen bereits vor ihrem Richter und haben sich mit diesem Recht auf körperliche Unversehrtheit aus dem Gröbsten gerettet. Es lagen reine Eigenkonsum-Handlungen ohne „Fremdschädigung“ vor. In diesen Situationen haben viele Richter ein sehr mildes Urteil oder Freispruch gewählt.

Der Patienten-Notstand wird damit zum juristischen Freischein? Jeder könnte nach einem Bust eine Krankheit erfinden und wäre so gut wie straffrei aus allem raus? Nicht ganz. Wer seinen Notstand nur ungenügend belegt oder sich immer wieder erwischen lässt, wird verurteilt. Und Spaßkonsumenten oder Patienten ohne mitwirkenden Arzt sind unglaubwürdig.

[caption id="attachment_41531" align="alignnone" width="1920"] Einst mit Ausnahmegenehmigung nach §3 Abs. 2 BtMG[/caption]

 

Das Cannabis-Medizin-Gesetz ist ein wichtiger Meilenstein, es hat vielen Patienten zu einem besseren Leben verholfen. Doch ein ganzer Teil steht ohne Geld vor der Apotheke und muss sich aus der Not heraus für den Dealer oder Eigenanbau entscheiden.

Andere Patienten gehen gar nicht erst zum Arzt. Sich das BtM-Rezept und anschließend die Kassenübernahme zu erstreiten, ist für viele, die bereits ihre Versorgungswege haben, schlichtweg zu unbequem. Doch die Selbstversorgung funktioniert leider nur solange, wie dies niemandem auffällt. Dann ist das Gezeter groß, wenn es diesen Patienten-Status in den Krankenakten noch nicht gibt.

Einige überführte Patienten suchten sich, so schnell es ging, einen mitwirkenden Mediziner, der das Gutachten erstellte. Das gelingt nur mit dicker Krankenakte, da einem ansonsten die Glaubwürdigkeit fehlt. Wer sich erfolgreich mit Cannabis therapiert und deswegen beim Arzt keine schweren Leiden vorweisen kann, hätte im Nachhinein also schlechte Karten.

Einigen Patienten mit langjährigem Krankheitsverlauf ist es also im Nachhinein gelungen, ihren Patienten-Notstand zu belegen. Sie kamen vor Gericht aus dem Gröbsten wieder raus und erhielten sogar ihr BtM-Rezept für die Apotheke.

Der wesentlich sichere Weg lautet jedoch, den Arzt direkt zu besuchen und sich die Befunde und das wichtige BtM-Rezept zu beschaffen. Es soll anschließend eine Kostenübernahme bei der Krankenkasse beantragt werden.

[caption id="attachment_41530" align="alignnone" width="1920"] Patienten-Notstand – wenn die Kasse nicht zahlt![/caption]

 

Ohne Kostenübernahme und ohne entsprechende Vermögenswerte liegt bei einer schweren Erkrankung in jedem Fall der begründbare Patienten-Notstand vor. Sobald die Symptome der Erkrankung oder die Nebenwirkungen der Medikamente unerträglich sind und der Arzt dies bestätigt, greift das Recht auf körperliche Unversehrtheit.

Diese Aussagen sind keine Aufforderung zu Straftaten. Es versteht sich von selbst, dass ein Patient im Notstand nur sich selber und nicht seine Freunde versorgt. Dann würde er nicht ausschließlich im Notstand handeln und macht sich derzeit leider noch wie jeder andere ohne entsprechende Genehmigungen strafbar.

Wer sich also als Patient im Notstand sein Growzelt aufstellt, soll seinen ganzen Haushalt und sein ganzes Leben „sauber halten“ und eventuell „die speziellen Freunde“ nicht mehr nach Hause einladen. Auch dann entscheidet im Ernstfall immer noch der Richter. Dieser wird vom überführten Patienten erwarten, dass er sich noch gewissenhafter um eine legale Versorgung über die Apotheke bemüht. Auch Patienten im Notstand werden im Wiederholungsfall härter angepackt.

Einfache Konsumenten können ihrem Richter also nichts vormachen, wenn der mitwirkende Arzt fehlt. Doch die Mediziner werden aus Eigeninteresse nur bei einer berechtigten medizinischen Notwendigkeit mitwirken. Würde ein Arzt seinem Patienten aus Sympathie das BtM-Rezept ausstellen, machte er sich angreifbar und könnte im schlimmsten Fall seine Zulassung verlieren.

Alle, die Cannabis medizinisch einsetzen, sollen ihr Anliegen bei einem Arzt ansprechen und die Reaktion abwarten. Viele Ärzte wollen dieses Thema nicht anpacken, doch irgendwann ist einer dabei, der mitwirkt. Wer sich mit seiner Krankenakte als langjähriger Cannabis-Patient ausweist, kann sich auch in Straßenverkehrskontrollen besser retten. Mit Glück übernimmt die Krankenkasse die Kosten und sichert die Versorgung mit guter Qualität aus der Apotheke. Mit noch mehr Glück kommt die Legalisierung, die Lampen gehen an und der Arzt hat Urlaub!

S
Soft Secrets