Gerhard Seyfried: „Mit 60 kifft man einfach nicht mehr so viel…“

Soft Secrets
01 May 2017

Gerhard Seyfried ist einer der bekanntesten deutschen Comic-Zeichner der alternativen Szene und hat sich auch mit Publikationen um den Hanf verdient gemacht. Wir sprachen mit ihm über seine heutige Sichtweise auf Cannabis.


In deinen Comics spielt Cannabis oft mehr als nur eine Nebenrolle - hat sich deine Einstellung zum Thema Cannabis im Laufe der Jahre irgendwie verändert?

Eigentlich hat sich da nichts verändert - außer, dass ich heute etwas weniger kiffe und auch nicht schon am Morgen damit anfange. Als 60jähriger kifft man einfach nicht mehr so viel, wie als 20jähriger und ist trotzdem ganz happy.

Wie wirkt sich Cannabis eigentlich auf deine Arbeitsmoral aus?

Für mich ist Hanf eine 1A-Arbeitshilfe, weil ich mich damit gut konzentrieren kann. Ich tauche dann immer regelrecht ein in meine Arbeit - egal, ob ich nun gerade schreibe oder zeichne. Dabei habe ich auch festgestellt, dass mich Gras deutlich munterer und kreativer macht als Haschisch - daher rauche ich inzwischen eigentlich nur noch Gras, das ja mittlerweile überall und in bester Qualität zu haben ist.

Machst du auch mal Kiff-Pausen?

Ja, ich mache oft Pausen, wenn auch nicht nach einem starren Schema. Ich rauche z.B. nie, wenn ich irgendwo hinfahre - in eine andere Stadt oder zu irgendwelchen Auftritten. Früher wollte ich immer so bekifft wie nur möglich sein, aber das ist schon ziemlich kompliziert bei Lesungen oder Autogrammstunden. Inzwischen mache ich sowas lieber nüchtern und kiffe daher buchstäblich nur noch zuhause - oder im Sommer natürlich auch mal draußen, wenn das Wetter schön ist.

Hast du auch schon mal schlechte Erfahrungen mit Hanf gemacht?

Die schlechtesten Erfahrungen mit Hanf habe ich in den 70er und 80er Jahren in der Westberliner Hausbesetzer-Szene gemacht, als Polizisten uns bei den häufig durchgeführten Hausdurchsuchungen immer unser Haschisch klauten. Es gab dann zwar keine Anzeige, aber unser Hasch war weg und wir ärgerten uns immer schwarz in dem Wissen, dass es nun von irgendwelchen Bullen geraucht wurde.

Das ist natürlich ärgerlich - aber nicht, was ich meinte...

Okay, eine andere Geschichte: Als ich mit Matthias Bröckers in die Schweiz gezogen bin - nach Solothurn, wo der Nachtschatten-Verlag seinen Sitz hat - sind wir da auch mal an die dortige Rauschgiftpolizei geraten. Der Verlag ist ja in Solothurn richtig bekannt, und eines Tages besuchte uns das dortige Rauschgiftdezernat. Es waren drei Männer, die uns erklärten, sie würden sich ganz gerne mal mit uns und Roger vom Nachtschatten-Verlag unterhalten. Es ging ihnen darum, eine Volksabstimmung zur Legalisierung von Cannabis im Kanton zu initiieren. Dabei hörten wir von den Polizisten auch Sätze wie: "Es geht uns vor allem um die Kinder" oder "Es raucht doch eh jeder - wir rauchen es ja auch." Offensichtlich ging es den besorgten Beamten hauptsächlich darum, dass Jugendliche nicht auch mit harten Drogen in Berührung kommen, da Dealer in der Illegalität oft auch andere Sachen als Hanf verticken. Also haben wir mit der Polizei zusammen ein Programm für die Volksabstimmung entwickelt und waren uns dann auch schnell einig, dass das, was am meisten fehlt, eine umfassende Aufklärung über Drogen ist.

Alles klar, offensichtlich hattest du selbst nie Probleme mit deinem Cannabiskonsum...

Richtig. Ich kiffe fast mein ganzes Leben lang und hatte in all den Jahren nie irgendwelche Probleme damit.

Auch nicht in Sachen Führerschein?

Nein. Aber ich bin da natürlich vorsichtig. Bekifft gefahren ist man früher auch schon mal, auch wenn ich das heute nicht mehr machen würde.

Glaubst du, dass wir mit der aktuellen Entwicklung in den USA und Uruguay gerade den Anfang vom Ende der weltweiten Cannabisprohibition miterleben?

Die Uruguay-Richtung ist ja schön und gut - aber die amerikanische ist es nicht. Meine Hauptsorge ist, dass Monsanto und die Pharmaindustrie Cannabis in die Finger kriegen und sich ein Monopol daraus aufbauen. Dann geht der Preis hoch und die Qualität runter – und vermutlich gibt es dann bald nur noch gräßliches Gen-Gras.

Eine Legalisierung sollte es den Konsumenten dann aber auch ermöglichen, selbst ihr Gras anzubauen, wodurch sie ja nicht mehr durch die Versorgung durch eventuelle Monopole angewiesen wären...

Das mag sein, aber man merkt ja heute schon, wie die Pharmaindustrie da hinterher ist - ich glaube, es ist ihre größte Sorge, dass Patienten selbst ihre Medizin anbauen können. Daher entwickeln sie auch für ein Heidengeld alle möglichen synthetischen THC-Varianten, die dann als verschreibungspflichtige Medikamente auf dem Gesundheitsmarkt landen. Andererseits - wenn ich 30 Jahre zurückdenke - kenne ich fast niemanden mehr, der nicht kifft. Auch in der bürgerlichen Welt tun es fast alle. Und das ist langfristig natürlich eine positive Entwicklung, denn es dämpft den Alkoholkonsum und die Leute werden auch ein bisschen friedlicher.

Dann schürt Cannabis also gar nicht so sehr den revolutionären Geist sondern entschärft ihn eher, indem es die Leute friedlicher macht?

Das kommt ganz darauf an, denn jede Droge ist eigentlich nur ein Verstärker dessen, was eh schon da ist. Also je nachdem, wie man drauf ist, verstärken Drogen auch diese oder jene Ansichten oder Stimmungen. Natürlich hat Cannabis auch mal die Tendenz, dich aufs Sofa zu drücken - das muss aber nicht unbedingt sein. Vor allem in jungen Jahren beflügelt es ja eher zu Aktivitäten.

Bis du eigentlich für eine vollständige Legalisierung von Cannabis als Genussmittel oder für eine Legalisierung mit gewissen Einschränkungen?

Natürlich muss der Kinder- und Jugendschutz funktionieren, meiner Meinung nach sollte man Cannabis erst ab 18 konsumieren. Und natürlich sollte mit der Legalisierung auch viel mehr aufgeklärt werden - über die Rauschwirkung ebenso wie über mögliche Risiken und Nebenwirkungen. Was es derzeit immer noch viel zu wenig gibt, ist eine vorurteilsfreie, sachliche Aufklärung für junge Menschen. So haben Jugendliche oft gar keine Vorstellung davon, was sie zu erwarten haben, wenn sie das erste Mal kiffen. Darüber kursieren immer noch die unmöglichsten Vorstellungen bei den Kids. Dabei ist die eigentliche Hauptgefahr bei Jugendlichen, dass sie darauf hängenbleiben und irgendwann nichts anderes mehr machen als kiffen. Da wird dann auf die Schule gepfiffen und rumgefaulenzt, als gäbe es kein Morgen. Also braucht es eine verbesserte Aufklärung bei striktem Jugendschutz - eine Legalisierung könnte beides bringen. Text: M-Dog

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