„Ich growe gegen Krankheiten“

Exitable
08 Dec 2014

Bernd (Name von der Redaktion geändert) ist ein leidenschaftlicher Cannabis-Grower. Der 54-Jährige f das Weed angewiesen sind, nämlich Cannabispatienten. Der Clou an der Story: Bernd ist Polizist.


Bernd (Name von der Redaktion geändert) ist ein leidenschaftlicher Cannabis-Grower. Der 54-Jährige f das Weed angewiesen sind, nämlich Cannabispatienten. Der Clou an der Story: Bernd ist Polizist.

Bernd (Name von der Redaktion geändert) ist ein leidenschaftlicher Cannabis-Grower. Der 54-Jährige steht seit seiner Jugend auf psychoaktive Hanfprodukte, raucht nach eigenen Angaben selber gern und viel und ist mit über 30 Jahren Erfahrung als Gärtner ein echter Growing-Veteran. Das allein ist zwar schon beeindruckend, aber noch nichts verglichen mit dem, was Bernd seit Jahr und Tag in einer Art Doppelleben vereint: Denn Bernd hat sich dem „Growing mit Herz“, wie er es nennt, verschrieben und baut seine Cannabispflanzen nicht nur an, um seinen Eigenbedarf zu decken, sondern um die Erträge zu guten Kursen an seine Kunden abzugeben. Und das sind ausschließlich Menschen, die auf das Weed angewiesen sind, nämlich Cannabispatienten. Der Clou an der Story: Bernd ist Polizist. 

Hintergrund: In Ausgabe 1/2014 hatten wir in eurer Soft Secrets ein Interview mit einem Mediziner, der ebenfalls für Hanfpatienten growt und damit ein Doppelleben im Dienste des Menschen führt. Unser diesmaliger Protagonist Bernd hatte Anfang des Jahres dieses Interview gelesen und sich an den Autoren gewendet, um ihm seine Geschichte zu erzählen. Dabei fürchtete Bernd bei aller Euphorie, seine Geschichte nun einmal nach außen tragen zu können, allerdings sehr, dass er durch den Artikel auffliegen könnte. Deshalb verzichten wir auf Fragen, die sich auf sein familiäres Umfeld beziehen und auch auf Erörterung von Bernds Lebenssituation und Wohnort.

Soft Secrets: Unfassbar, Bernd, dass du bei der Polizei arbeitest und gleichzeitig ein Samariter der Grow-Kultur bist.
Bernd: Nun ja, das ist schon irgendwie eigentümlich und schräg, oder? Meine Kollegen würden nicht im Traum auf die Idee kommen, dass ich – ausgerechnet ich – etwas mit Cannabis zu tun haben könnte.

Soft Secrets: Bist du also nach außen hin ein eher konventioneller Polizist?
Bernd: Absolut, und genau so soll es sein. Ich will ja nicht hinter Gittern landen und alles verlieren. Deshalb bin ich im Alltag eigentlich immer verkleidet. Sowohl, was meine Kleidung angeht als auch meinen Lebensstil. Wenn die Leute mich Spießer nennen, bin ich zufrieden. 

Soft Secrets: Du arbeitest im Innendienst der Polizei?
Bernd: Ja, bei der Kripo – mehr möchte ich nicht dazu sagen.

Soft Secrets: Gibt es einen Eingeweihten unter deinen Kollegen?
Bernd: Nein, das wäre viel zu gefährlich. Ich denke, dann wäre ich schon lange weg vom Fenster.

Soft Secrets: Ich will dir nicht zu nahe treten, aber in meinen Augen sind viele Polizisten sowas wie gehirngewaschene Roboterwesen. Dieser Eindruck drängt sich mir jedenfalls zunehmend auf. Wie kann es sein, dass du da so aus der Reihe tanzt? Du scheinst ja sowohl Rebell als auch irgendwo Psychonaut zu sein. Wie verträgt sich das mit deinem Beruf?
Bernd: Das mit den gehirngewaschenen Robotermenschen trifft es ganz gut. Aber man muss bei der Wahrheit bleiben und dazu sagen, dass bei Weitem nicht alle Kollegen so sind. Es gibt genug humane, liebevolle und menschliche Polizisten – nur fallen die nicht auf. Keine Sau erwähnt es in den Medien, wenn ein Polizist etwas Menschliches getan hat. 

Soft Secrets: Das kann natürlich sein.
Bernd: Prügeln hingegen Polizisten mit geringem IQ auf einen Menschen ein, so ist das ruck zuck sofort überall zu lesen, zu sehen und zu hören. Es stimmt natürlich, dass man als Polizist zumindest den Eindruck erwecken muss, mit dem System konform zu gehen. Selbstverständlich muss man nicht alles gut finden, nicht jede Ungerechtigkeit hinnehmen. Aber alles in Allem hat man als Polizeibeamter weniger die Möglichkeit, sich gegen das geltende Unrecht und gegen die Obrigkeiten aufzulehnen. Das ist schon eine Tatsache. 

Soft Secrets: Erzähl doch mal von deinen Pflanzen. Baust du indoor oder outdoor an?
Bernd: Beides. Ich habe drinnen immer eine Menge von etwa 250 Pflanzen und dann noch ein Greenhouse, in dem ich auch nochmal um die 200 Pflanzen ziehe. Ich pflege also dauerhaft ungefähr 450 Pflanzen. Das hört sich viel an – ist es auch, aber die Menge ist nötig. 

Soft Secrets: Weil du für Patienten anbaust, stimmt's? Immerhin hattest du ja unseren Artikel mit dem growenden Mediziner gesehen und erzählt, dass du etwas Ähnliches machst.
Bernd: Genau. Das fand ich super. Ich mache das auch. Zwar gebe ich das Gras nicht gerade billig ab, sondern lasse mir die Arbeit und auch das Risiko, erwischt zu werden, bezahlen. Aber in meinem Umfeld sind hauptsächlich Patienten, die es sich leisten können. 

Soft Secrets: Welche Sorten bzw. Strains bevorzugst du?
Bernd: Vier Strains growe ich zurzeit. Natürlich Jack Herer, welches viele Patienten lieben, und was es ja auch als medizinisches Apothekencannabis gibt. Bedrocan heißt es dort. Dann die CBD Skunk Haze, die habe ich neu im Programm und die fetzt echt als Medizin. Die ist nicht besonders stark, aber produziert THC und CBD in einem gleichen Verhältnis. Ich glaube, jeweils 6 Prozent, kann mich aber auch täuschen. Meine Kunden, insbesondere die Schmerzpatienten, lieben das Zeugs jedenfalls. Dann noch die New York City Diesel von Soma und – ebenfalls neu – die Wappa.

Soft Secrets: Und was nimmst du von deinen Kunden für Preise?
Bernd: Durchgehend 11,80 Euro pro Gramm für Indoor-Gras und 9,50 Euro für das Weed aus dem Gewächshaus, da das immer ein wenig krautig ausschaut.

Soft Secrets: Also unabhängig von der Sorte? Auch für Haze-Pflanzen, die ja doch etwas pflegeintensiver sind?
Bernd: Ja, diese Preise gelten für jede Sorte.

Soft Secrets: Okay, ungewöhnliche Praxis, aber wenn es der Einfachheit dient … Wie viel von dem produzierten Weed behälst du für dich und wie viel gibst du ab?
Bernd: Ich behalte so viel für mich, dass ich im Monat etwa hundert Gramm zu rauchen habe. Ich rauche am Tag etwa drei Gramm, das passt. 

Soft Secrets: Und hast du keine Angst, dass einer deiner Kunden dich verraten, erpressen oder fertig machen könnte? Du bist ja im Grunde einer permanenten Gefahr ausgesetzt.
Bernd: Das Letztere stimmt. Ich bin eigentlich wirklich immer in latenter Gefahr aufzufliegen – aus welchem Grund auch immer: Geruchsbildung, neugierige Nachbarn und so weiter. Aber meinen Kunden vertraue ich zu hundert Prozent. Wenn es nicht so wäre, könnte ich das ja gar nicht durchziehen, sondern würde vor Paranoia zum Psychotiker werden. Es ist so: Meine Kunden sind allesamt kranke Leute, die freilich andere Sorgen haben, als mich zu erpressen. Die sind glücklich, dass ich für sie Gras anbaue und sie deshalb ein Problem weniger haben, weil auch sie in Gefahr sind, erwischt zu werden. Und bei mir sind sie sich sicher, dass ich auch die Klappe halte. Es ist ein gegenseitiges Geben und Nehmen. 

Soft Secrets: Du müsstest bei deinen Preisen und den verkauften Mengen aber eine ganz schön stattliche Stange Geld verdienen. Wieso hast du deinen Dienst bei der Polizei nicht schon längst quittiert?
Bernd: Auch wenn es sich komisch anhören mag: Weil ich mein Leben mag, so wie es ist, und weil ich in dieser Lage nicht Gefahr laufe, zur Zielscheibe der Drogenfahnder zu werden. 

Soft Secrets: Zu Deutsch: Niemand käme je auf die Idee, dass du Grower bist.
Bernd: Genau so ist es. Wie ich es sagte: Die halten mich alle für einen absoluten Spießer – und das ist der Idealzustand. Weil ich dieses Doppelleben führe, was sich übrigens für mich nicht wie ein Doppelleben anfühlt, habe ich niemals auch nur einen Anflug von finanzieller Not. Geldmäßig geht es mir immer überdurchschnittlich gut.

Soft Secrets: Das kann man sich denken. Dass du selber rauchst, hatten wir ja schon besprochen. Bist du selber medizinischer Cannabiskonsument oder reiner Hedonist?
Bernd: Meine These ist: Es gibt unter den Drogengebrauchern keine Hedonisten. Die haben, ob bewusst oder unbewusst, alle einen medizinischen Bedarf. Nur deshalb geraten Menschen überhaupt an Drogen – zumindest größtenteils, das ist meine Überzeugung. Ich selber leide unter keiner Krankheit, nur unter einer permanenten inneren Unruhe. Und die kann ich mit Cannabis super gut behandeln. Wenn ich nach Dienstschluss meinen Vaporizer anwerfe, beginnt eine Zeit der Ruhe für mich. 

Soft Secrets: Dein Arzt würde sagen, du leidest unter ADHS.
Bernd: Das mag sein. Die Diagnose ist mir nicht so wichtig. Ich komme damit im Alltag gut klar, und wie gesagt: In meiner Freizeit halte ich diese Symptome – was immer sie auch sein mögen – erfolgreich mit Weed im Zaum.

Soft Secrets: Sind unter deinen Kunden auch offizielle Cannabis-Patienten mit Ausnahmeerlaubnis, die eigentlich in der Apotheke versorgt werden könnten?
Bernd: Ja, einer. Ein einziger. Und der spart bei mir nicht mal viel. Meistens kauft der sich nicht die Sorte, die ihm am liebsten ist, sondern irgendeine aus dem Gewächshaus. Einfach, weil sie billiger ist – dann liegt die Ersparnis doch bei über 5 Euro pro Gramm.

Soft Secrets: Was hälst du von anderen Psychoaktiva? Bist du ein reiner Hänfling?
Bernd: Nein, nicht unbedingt ausschließlich Cannabis. Ich mag die klassischen Psychedelika, wie LSD, Pilze, und Kakteen hab ich auch schon probiert. Die schenken einem eine andere Perspektive fürs Leben und Dasein insgesamt. Wenn du mich fragst, sollte es politisch so geregelt sein, dass alle Menschen, die in irgendeiner Weise für den Staat arbeiten, mit Antritt ihres Staatsdienstes mindestens einmal Psychedelika nehmen müssen. Natürlich angeleitet. Damit bekämen sie einen anderen Blick für sensible Themen, für die Menschen und ihre Beziehung untereinander, aber auch für den Gesamtzusammenhang der Welt, und letztlich erhielten sie sogar einen Eindruck dessen, wie diejenigen ticken, die sie per Gesetz verfolgen und bekämpfen müssen. Sie würden staunen, wenn sie feststellen würden, dass das gar keine kriminellen Subjekte sind, sondern suchende Menschen, da bin ich mir sicher. Und ich bin mir auch sicher, dass das System ein vollkommen anderes wäre, würden die Regeln so sein. Da halte ich jede Wette. 

Soft Secrets: Das unterschreibe ich sofort. Coole Einstellung, du bist offenkundig ein wahrer Psychonaut.
Bernd: Ich mag es, über den Tellerrand zu blicken. Und ich unterstelle, dass jeder das gerne macht. Auch, wenn man sich nicht traut, zuzugeben mit dem Exotischen zu liebäugeln. Das ist doch auch der Grund, aus dem so viele Menschen in ferne Länder in den Urlaub fahren. Weil sie mal was anderes sehen wollen, mal was Unerwartetes erleben, mal über den Tellerrand hinausschauen mögen. Und die selbe Sehnsucht befriedigen Menschen mit Drogen. Das ist gar nichts anderes. 

Soft Secrets: Mit dem Unterschied, dass in den Urlaub fliegen nicht bei Strafe verboten ist ...
Bernd: Wohl wahr. Naja, es läuft einiges schief in unserem Land und in der Welt.

Soft Secrets: Bei dieser Einstellung verstehe ich nicht, wie du als Polizist explizit für dieses System arbeiten kannst.
Bernd: Vielleicht, um es von innen her besser zu machen. Ich bin nicht derjenige, der respektlos mit den Menschen umgeht, und ich versuche, auch solchen Kollegen ein Vorbild zu sein, die eher dazu tendieren, gewisse Leute zu verachten und auf sie runterzuschauen. Das gilt gerade für jüngere Kollegen, die ich gern zähme.

Soft Secrets: Was unterscheidet dich von den eher einfach gestrickten Polizisten?
Bernd: Dass ich versuche, jedem mit dem gleichen Respekt gegenüberzutreten. Klar muss ich als Polizeibeamter auch eine gewisse Autorität ausstrahlen – das gehört zu den Spielregeln des Selbstschutzes. Aber ich muss auch nicht übermütig werden und mich auf eine höhere Stufe stellen. Ich bin zu Obdachlosen und Menschen, die hier fremd sind, genauso freundlich wie zu allen anderen. Das sollte bei der Polizei meiner Ansicht nach mehr gepflegt werden. 

Soft Secrets: Kann es sein, dass deine liberale Art auch von deinen Drogenerfahrungen herrührt?
Bernd: Auch da bin ich mir sicher, ja. Diese Mittel haben mir die Augen geöffnet, und dafür bin ich dankbar. Die Weltsicht verändert sich einfach, wenn man Psychedelika nimmt – da kann auch Cannabis schon reichen. Und unsere Welt hat bessere Menschen dringend nötig. 

Soft Secrets: Wie lange wirst du noch dabei bleiben und deine Kunden versorgen? Wenn du so viel Kohle machst, bist du ja vielleicht bald reich und hast es nicht mehr nötig?
Bernd: Ich werde nicht aufhören. Wieso auch? Mir macht es Spaß, und wenn ich als alter Sack mal die Millionen auf dem Konto haben sollte, werde ich kurz vorm Abtreten das meiste für gute Zwecke spenden.

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