Interview Anwalt Kai-Friedrich Niermann

Mercedes.Frank
08 Feb 2022

“Was die Legalisierung bzw. Entkriminalisierung von Cannabis hierzulande und in Europa angeht, ist Anwalt Kai-Friedrich Niermann sehr optimistisch. Natürlich weiß er, gerade als Jurist, dass es nicht von heute auf morgen passieren wird. „Aber es haben sich alle an die Arbeit gemacht, und die Entkriminalisierung ist beschlossen und wird in wenigen Monaten kommen“, so Niermann.“


Wir sprachen mit Rechtsanwalt Kai-Friedrich Niermann, einem der aktivsten Anwälte in Sachen Cannabis, über seine Erwartungen, was die Cannabis-Legalisierung angeht.

Er hat auch regelmäßig Beiträge auf Websites zum Thema Hanf. Auf  Seiten wie prohibitionpartners.com, leafly.de, krautinvest.de, hempindustrydaily.com oder cannabislaw.report. Er hat auch seinen eigenen Blog, canna-biz.legal.

Aber er liefert auch Beiträge für juristische Fachzeitschriften und ist Berater der European Industrial Hemp Association (EIHA), die einen Antrag für eine Zulassung als Novel Food für verschiedene CBD-Produkte bei der EU-Kommission eingereicht hat. Auch auf internationalen Konferenzen zum Thema Hanf ist er  regelmäßig als Redner vertreten.

Schon während seines Studiums kam er mit dem Thema Hanf in Kontakt, als das Bundesverfassungsgericht entschied, dass kleine Mengen Cannabis nicht kriminalisiert werden dürfen. Das war in den 90ern. Passiert ist seitdem in dieser Richtung nicht sehr viel. Was die Legalisierung bzw. Entkriminalisierung von Cannabis hierzulande und in Europa angeht, ist Niermann aber sehr optimistisch.

Natürlich weiß er, gerade als Jurist, dass es nicht von heute auf morgen passieren wird. „Aber es haben sich alle an die Arbeit gemacht, und die Entkriminalisierung ist beschlossen und wird in wenigen Monaten kommen“, so Niermann.

Was auch die Justiz erheblich entlasten würde. Denn jedes Jahr gibt es ca. 180.000 Fälle aus dem Bereich der Freizeit-Nutzung, mit denen sich die Justiz befassen muss. Die Grünen haben schon vor Jahren ein Gesetzes-Entwurf in den Bundestag eingebracht, das Cannabis-Kontroll-Gesetz.

Niermann denkt, dass man sich bei dem Entwurf für ein Cannabis-Gesetz „sehr stark am schon vorhandenen Entwurf der Grünen orientieren wird. Er ist eine 90%ige Blaupause. Eigenanbau, Import, Ausbildung der Fachverkäufer und Qualität des Cannabis ist in diesem Kontrollgesetz bereits umfassend geregelt.“

Aber das schnelle Vorankommen gilt erst mal nur für die Entkriminalisierung des Besitzes von Cannabis, bis zu einer bestimmten Menge, 30 Gramm. Jedenfalls eine Menge in dieser Größenordnung.

Die Möglichkeiten von Eigenanbau und der Abgabe von Cannabis werden sich, was den gesetzlichen Rahmen anbetrifft, allerdings noch ein wenig hinziehen. „Das wird auf jeden Fall noch eine Weile dauern“, so Niermann, „denn da wird es eine Menge Anhörungen, Debatten, Sachveständigen-Ausschüsse  und Experten-Runden geben.“ Alleine die Führerscheinproblematik, also mit welcher Menge THC im Blut man noch fahrtüchtig ist, wird sicher nicht so einfach zu regeln sein.

Zudem gibt es ja noch die 1961 von den Vereinten Nationen verabschiedete Single Convention on Narcotic Drugs. Dieses Abkommen reguliert unter anderem auch die Verfügbarkeit von Cannabis. Deutschland ist als Teil der UN an dieses Abkommen gebunden.

„Daher“, so Niermann, „werden man aus diesem Abkommen austreten müssen, die Gesetze verabschieden, um dann wieder einzutreten.“ So wie es Bolivien gemacht hat Das wird dann aber mit allen Fristen nicht vor 2024 der Fall sein (können).

Und wie sieht es mit der Hoheit der Bundesländer aus?

„Die Gesetzeshoheit liegt beim Bund“, so Nierman, „ausschließlich“. Die Entkriminalisierung von Cannabis-Besitz bedarf also keiner Zustimmung des Bundesrates. Allerdings kann er sich auch nicht vorstellen, dass die Bundesländer sich querstellen werden.

„Die Länder haben später jedoch die Möglichkeit, beispielsweise die Anzahl der Geschäfte, in denen Cannabis verkauft werden darf, zu beschränken.“ Klar ist aber auch, dass es landesweit uneinheitlicher wird, je weniger Vorgaben vom Bund kommen.

Beim Thema medizinisches Cannabis sieht Niermann akuten Handlungsbedarf: „Der Zugang zu medizinischem Cannabis muss niederschwellig sein. Die Therapiehoheit des Arztes muss noch stärker betont werden.“ Und die Ärzte sollten keinen Regress befürchten müssen. „Die Fortbildung zum medizinischen Cannabis muss verstärkt angeboten und Teil des Medizinstudiums werden. Patienten, die mit Cannabis therapiert werden, müssen unterstützt und nicht strafrechtlich verfolgt werden.“

Die Entkriminalisierung hat für ihn absolute Priorität. Und was dieses Thema angeht, so ist er optimistisch. Sehr sogar. In ein paar Monaten werden wir dann wissen, wie realistisch diese Einschätzung war.

M
Mercedes.Frank