Jugendschutz durch Legalisierung

Soft Secrets
02 Apr 2015

Münsters Polizeipräsident Hubertus Wimber stellte sich Anfang 2015 gleich zwei bedeutenden Podiumsdiskussionen: Am 14. Januar fand die Podiumsdiskussion der Fachschaft Jura „Cannabis legalisieren“ statt, an der neben Hubertus Wimber auch Dr. Wolfgang Schneider von INDRO e. V., Dr. Helga Köhler vom Institut für Rechtsmedizin sowie Peter Biesenbach als Vize-Vorsitzender der CDU im Landtag NRW teilnahmen. Lediglich Herr Biesenbach bekannte sich zur bisherigen Verbotspolitik, die er verteidigte, wobei Frau Dr. Köhler sich in der Legalisierungsfrage nicht positionieren wollte.


Münsters Polizeipräsident Hubertus Wimber stellte sich Anfang 2015 gleich zwei bedeutenden Podiumsdiskussionen: Am 14. Januar fand die Podiumsdiskussion der Fachschaft Jura „Cannabis legalisieren“ statt, an der neben Hubertus Wimber auch Dr. Wolfgang Schneider von INDRO e. V., Dr. Helga Köhler vom Institut für Rechtsmedizin sowie Peter Biesenbach als Vize-Vorsitzender der CDU im Landtag NRW teilnahmen. Lediglich Herr Biesenbach bekannte sich zur bisherigen Verbotspolitik, die er verteidigte, wobei Frau Dr. Köhler sich in der Legalisierungsfrage nicht positionieren wollte.

Münsters Polizeipräsident Hubertus Wimber stellte sich Anfang 2015 gleich zwei bedeutenden Podiumsdiskussionen: Am 14. Januar fand die Podiumsdiskussion der Fachschaft Jura „Cannabis legalisieren“ statt, an der neben Hubertus Wimber auch Dr. Wolfgang Schneider von INDRO e. V., Dr. Helga Köhler vom Institut für Rechtsmedizin sowie Peter Biesenbach als Vize-Vorsitzender der CDU im Landtag NRW teilnahmen. Lediglich Herr Biesenbach bekannte sich zur bisherigen Verbotspolitik, die er verteidigte, wobei Frau Dr. Köhler sich in der Legalisierungsfrage nicht positionieren wollte.

Am 04. Februar fand ein weiteres bedeutendes Ereignis in NRW statt: Im Landtag beriet der Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales zum Thema „Cannabis legalisieren – Drogenpolitik neu ausrichten“, Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband und andere Fürsprecher für die Legalisierung waren zugegen. Die zweite „Wimber-Diskussionsrunde“ fand am 18. Februar in der Stadtbücherei statt: Hubertus Wimber und Reiner Thomasius diskutieren unter Moderation von Maria Klein-Schmeink über „Cannabis – Legalize it – or not? Regulierung oder Verbot?“ Alle drei Termine waren hochinteressant, da sozusagen die Krieger des „War on Drugs“ immer offensichtlicher an Boden verlieren und im Rückzugskrieg ihre Stellungen nur noch so lange halten, wie es geht, da sie für fundierte Argumente und logisches Denken eben immer noch nicht zugänglich sind. Da selbst der beharrlichste Prohibitionist in heutigen Zeiten erkennen muss, dass seine Argumente unhaltbar sind, werden einfach die Argumente der Legalizer anders formuliert und für Verbotsbegründungen genutzt. Herr Wimber redete von Jugendschutz, der durch eine Verbotspolitik nicht funktionieren könne, so wie rund 70 % der Strafverfahren sich gegen Drogenkonsumenten in Bezug auf deren Konsumdelikte richten würden. Durch diese Repression leide ein Großteil der Konsumenten, vor allem der Cannabiskonsumenten, mehr als durch die Drogen.

Herr Schneider von INDRO e. V. arbeitet täglich mit Schwerstabhängigen, denen er ihren Konsum unter hygienischeren Bedingungen ermöglicht und ihren Lebensweg mit der Droge studiert. Er erklärt die sogenannten FRED-Programme (Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten) als eine Farce: Die Jugendlichen würden unter Zwang durch Eltern, Jugendamt oder/und einen Richter geschickt und wollen nur „ohne Schaden“ ihre Stunden absitzen und wieder gehen. Die Crashkids erzählen den Therapeuten, Psychologen, Eltern und Richtern, dass es ihnen ganz toll geholfen hat, sie jetzt alles mit anderen Augen sehen und nun besser im Leben klar kommen. Ein Großteil der Jugendlichen sieht es jedoch als Schikane, so wie sie auch diese „Wahrheiten über Risiken durch Drogen“ nicht mehr glauben und im Endeffekt gar nicht die Absicht haben, ihren Konsum zurückzuschrauben. Sie wollten sich zukünftig nur besser verstecken.

Herrn Biesenbachs Schilderungen scheinen aus einer ganz anderen „Wirklichkeit“ zu stammen: Die Jugendlichen FRED-Teilnehmer wurden nach der freiwilligen Teilnahme befragt und haben überwiegend verlauten lassen, dass sie ihr Konsumverhalten geändert haben oder sogar keine Drogen mehr konsumieren. Diese Aussagen würden der Realität entsprechen und den Erfolg solcher Maßnahmen eindeutig belegen. Zudem wäre Cannabis jetzt doch wieder eine gefährliche Einstiegsdroge für Jugendliche, da es das Suchtgedächtnis beeinflusst und jugendliche Kiffer deswegen später eher auf harte Drogen umsteigen.

Wie sinnvoll Verbote sind, leitet sich von niederländischen Erfahrungen ab: In Coffeeshops konnten Jugendliche ab 16 Jahren Marijuana und Haschisch kaufen, und viele Jugendliche zwischen 16 und 18 Jahren haben konsumiert, häufig nicht nur Cannabis. Dann wurde das Mindestalter auf 18 Jahre angehoben, und schon waren die Zahlen signifikant rückläufig. Vor Einführung der Raucherschutzgesetze hatten 28 % der 12-Jährigen bereits Tabak geraucht, jetzt seien es nur noch 14 %. Damit sei erwiesen, dass Verbote wirken und sinnvoll sind. Außerdem habe sich in Spanien und Portugal keinerlei Vorteil aus einer Politik, die Konsumenten nicht verfolgt, ergeben. Der Konsum und die Drogenprobleme seien nicht zurückgegangen sowie weiterhin auf dem Schwarzmarkt gekauft wird, weil dieser rund um die Uhr geöffnet hat und günstiger ist. In Holland zeigt sich, dass die Duldung der Coffeeshops als „Scheinlegalisierung“ eben keinerlei Kontrolle bietet, da es Shops gibt, in denen auch andere Drogen gehandelt werden. Außerdem belegen die Zahlen doch eindeutig, wie schlimm Drogen sind, wenn vor allem Menschen aus ärmeren Wohngegenden problematische Konsummuster aufweisen. Und wenn die Legalisierung sowie die Drogenverbote keine Lösung darstellen, könne man doch einfach mit der Verbotspolitik weitermachen.

Herr Biesenbach sind die Werte, die er als demokratischer und verfassungsgetreuer Volksvertreter in der BRD vertreten soll, schlichtweg egal, wenn er sich so offensichtlich widerspricht: Wenn die regulierte Drogenabgabe unter Einhaltung von Jugendschutzbestimmungen in den Niederlanden dazu führt, dass weniger 16- bis 18-Jährige Cannabis und andere Drogen konsumieren, dann sind dies keine Erfolge von Drogenverboten, sondern von regulierter Drogenabgabe. Wäre die Cannabisabgabe in den Niederlanden komplett verboten, würde das gleiche Problem wie in Deutschland bestehen: Welchen Grund hätte der Dealer denn, es Jugendlichen nicht zu geben, wenn es sowieso illegal ist und er praktisch nicht mehr als sonst riskiert? Der Coffeeshop-Betreiber könnte immerhin seine Lizenz verlieren und wenn er andere Drogen handelt, verliere er diese genauso. Demnach gebe es auch Wirte, die harte Drogen oder Waffen handeln und damit ebenfalls vor dem Richter landen. Und wenn die Drogenkonsumenten sich im gesellschaftlichen Leben schlechter entwickeln und problematische Konsummuster annehmen, wäre immer noch zu klären, ob das dann an den Drogen liegt oder bei vielen auch mit der damit verbundenen Repression einhergeht. Außerdem gehe es in der BRD doch um den mündigen Bürger, der selbstbestimmt für sich selber entscheidet und alles dürfen soll, solange kein Schaden für Dritte entsteht.

Sollen diese freien und selbstbestimmten Bürger sich wie Kleinkinder bevormunden und den Joint verbieten lassen? Wenn die Legalisierung nicht besser als Verbote gegen Drogenkonsum und Konsumprobleme schützt, so schützt sie durch Regulierung doch weit besser gegen Drogenkriminalität, Streckstoffe in den Drogen, den Konsum durch Jugendliche und die soziale Verelendung der Konsumenten. Letztere ist eben häufig auf Repression und nicht auf Drogenkonsum zurückzuführen. Wenn jetzt das eine nicht besser als das andere gegen Drogenkonsum und dessen Folgen schützen würde, dann müsste man doch ohne nachzudenken den Weg gehen, der die Freiheitsrechte unserer mündigen Bürger am ehesten gewährleistet. Herr Biesenbach sieht das ganz anders: Wenn Drogenverbote nicht besser als die Freigabe gegen Drogenkonsum schützen und sie der Grund sind, aufgrund dessen Menschen an Lebensqualität oder gar ihre Existenz und Freiheit einbüßen, dann sind sie dennoch sinnvoll, um eine Signalwirkung zu setzen.

Am 04. Februar erfreute uns die Anhörung „Cannabis legalisieren – Drogenpolitik neu ausrichten“ auf Anfrage der Piraten im NRW-Landtag. Es zeichnet sich ab, dass selbst die Gegner der Cannabislegalisierung allmählich begreifen, dass jedes ihrer Verbotsziele sich durch die regulierte Cannabisabgabe unter Qualitäts- und Jugendschutzauflagen besser erreichen ließe. Da man doch Recht gehabt haben will, kann man natürlich nicht alles direkt einsehen und umsetzen, aber selbst die CDU taut allmählich auf, wenn es um Cannabis in der Medizin geht. Sogar hochkarätige Experten der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen, Herr Dr. Gaßmann, oder der Ginko Stiftung für Prävention, Herr Dr. Hallmann,  wollen nicht mehr vom Erfolg der Cannabisverbote sprechen, sondern sehen in diesen auch Probleme, die sich möglicherweise durch eine regulierte Abgabe für Patienten und der Entkriminalisierung für Konsumenten nicht einstellen würden. Man möchte jedoch nur Handlungsbedarf feststellen, aber keine Lösungen präsentieren.

Am 18. Februar fand sich neben Hubert Wimber auch Rainer Thomasius, Leiter des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters der Uniklinik Hamburg-Eppendorf, als Diskussionsteilnehmer ein. Keine Geringere als Maria Klein-Schmeink, MdB, gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen sowie Bürgermeister-Kandidatin für Münster als Veranstaltungsort moderierte, wobei sie doch eher im Hintergrund blieb. Vielleicht, um sich nicht die Wähler aus dem Gegenlager dieser Diskussionsrunde zu vergraulen. Herr Thomasius durfte mit seinem Fachvortrag beginnen und berief sich natürlich auf wissenschaftliche Studien, die alles untermauern, was er sagen will. Cannabiskonsum im Kindes- und Jugendalter sei sehr gefährlich. Ein früher Einstieg bedinge Schäden, die beim Einstieg im Erwachsenenalter nicht eintreten würden, letzteres gestand er wirklich ein. Er bestätigte sogar, dass vermutlich 95 % der (erwachsenen) Cannabiskonsumenten keinen problematischen Konsum aufweisen. Aber Jugendliche blieben in ihrer Entwicklung stehen, da das Cannabis die Reifung des Gehirns maßgeblich behindere und die jungen Kiffer somit zugleich (vermutlich permanent) dümmer mache. Dies wäre aufgrund der nunmehr weit höheren THC-Gehalte weit schlimmer als zu Hippiezeiten. Das sei durch Studien erwiesen. Statistiken belegen deutlich, dass in jüngster Zeit immer mehr Menschen wegen Cannabis in Behandlung seien. Eine Freigabe wäre somit grundlegend falsch. Die derzeitigen Kosten im Gesundheitswesen würden vermutlich explodieren.

Einer offenen medizinischen Cannabisabgabe steht Herr Thomasius sehr skeptisch gegenüber, da weit mehr Menschen medikamentenabhängig werden könnten und zusätzlich zu ihrer Erkrankung ein Suchtproblem hätten oder auch psychische Schäden nehmen könnten. Wir alle wissen, unter welchen Kriterien solche Studien erhoben und anschließend interpretiert werden - oder eben nicht. Wer es jedoch nicht weiß, wird sich durch die Halbwahrheiten des Herrn Thomasius schnell verblenden lassen. Wenn die Legalisierung oder das Komplettverbot die Jugend nicht schützen und dies aber das Ziel wäre, welches wäre der Grund, es Erwachsenen zu verbieten? Die Signalwirkung! Repression klappt als Abschreckung bislang sehr gut, es gehe nicht darum, Kiffer wirklich zu kriminalisieren. Es stellt sich immer die Frage, in wieweit Kosten denn künstlich erzeugt würden. Wenn unwillige Personen zu kostspieligen Maßnahmen genötigt würden, wobei zugleich für einsichtige Personen mit häufig anderen Problemen die Kapazitäten fehlen, wodurch entstehen dann die Kosten, und fehlt das Geld dann auf der anderen Seite?

Erklären Zuschauer, dass unter psychisch Erkrankten so viele stark kiffen, weil Cannabis häufig als Medikament eingesetzt wird, schmettert Herr Thomasius dies damit ab, dass diese Personen dann zwei Probleme hätten und man vor der Behandlung der eigentlichen Erkrankung erst die Sucht bekämpfen müsse. Selbstmedikation funktioniere nicht. Zudem gibt es wenige wissenschaftliche Belege für die medizinische Eignung von Cannabis.

Herr Wimber zog in der Diskussion andere Studien heran, die praktisch das genaue Gegenteil von Thomasius' Aussagen belegen: Ob die Kiffer gejagt oder geduldet werden, habe kaum einen Einfluss darauf, wie viel konsumiert wird, auch nicht für Jugendliche. Jedoch sei für viele, die sich weitgehend gegen Konsumenten richtende Strafverfolgung das eigentliche Problem. Mit dieser Vorgehensweise habe das Drogenverbot seine selbst gesteckten Ziele nicht erfüllt: Es wird mehr konsumiert und es gibt ein reichliches Angebot, da immer mehr angebaut und produziert wird, so wie auch immer mehr Menschen Ersterfahrungen mit Drogen machen.


Zum Abschluss der Diskussion erklärte Herr Wimber, dass Drogenkonsum durchaus problematisch sein kann, die Strafverfolgung jedoch ein falscher und kontraproduktiver Weg sei, der den eigentlichen Schaden für die Betroffenen maßgeblich erhöht. Er ruft dazu auf, jetzt beim Cannabis als weniger schlimme sowie weitläufig akzeptierte Droge zu beginnen, mit dieser Vorgehensweise abzuschließen. Er will nicht legalisieren, er will regulieren und kontrollieren und sieht zu diesem Schritt keine bessere Alternative, persönliche und gesellschaftliche Drogenprobleme zu lindern. Hierbei muss der Jugendschutz natürlich strikt eingehalten werden.

Es hört sich so an, als ob man mit der Regulierung von Cannabis nicht aufhören, sondern beginnen solle, alle Drogen zu entkriminalisieren. Immer deutlicher wird es, dass selbst diejenigen, die Cannabis um jeden Preis verboten halten wollen, immer mehr Eingeständnisse machen und ihre Taktik grundlegend ändern. Wurde der Hippie mit Hasch-Problem vom Arzt ausgelacht und heim geschickt, so wird heute jede auf Gesellschaft, Veranlagung und Umweltgifte zurückzuführende Erkrankung bei Kiffern alleinig auf Cannabis geschoben, um sie in Massen zu behandeln. Hierbei zeichnet sich natürlich ab, dass immer mehr Menschen jetzt als krank in den Statistiken vermerkt werden, da die Krankheiten früher nicht auffielen, nicht behandelt wurden oder nicht in dem Maße auftraten und damit der Blickwinkel für die eigentlichen Ursachen und Probleme bewusst umgangen wird, um diese als Folgen des Kiffens zu erklären. Statistiken werden bewusst manipuliert, es geht immerhin darum, Recht gehabt zu haben.

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