Kein Anbau für Patienten

Soft Secrets
11 Oct 2015

Medical Growing


Medical Growing

Wir alle wollen ja gern growen, aber wenn es in absehbarer Zeit eine Gruppe in der Gesellschaft Deutschlands geben sollte, der der Cannabisanbau gestattet werden könnte, dann ist das in erster Linie die Riege der Cannabis-Patienten. Wer Apothekengras beziehen darf, muss nämlich meist recht tief in die Tasche greifen, und das können sich nur die wenigsten Patienten in vollem Umfang leisten. Einige Patenten hatten sogar schon vor Gericht dafür gestritten, ihre Medizin in Eigenregie anbauen zu dürfen und konnten damit sogar einen teilweisen Erfolg zu verbuchen. Wieso das legale Homegrowing für Patienten aber dennoch so schnell nicht der Fall sein wird, betrachten wir in diesem Artikel.

Die deutsche Regierung gebiert sich derzeit als Retter jener Patienten, die mit Cannabis- und Cannabinoidmedizin versorgt werden. Die CDU-infiltrierten Politdiktatoren wollen nämlich dafür sorgen, dass ab nächstem Jahr die medizinischen Cannabisblüten aus der Apotheke für solche Patienten, die über eine Ausnahmegenehmigung von der Bundesopiumstelle zum Gebrauch von Medizinalgras verfügen, bezahlt werden. Und zwar von den Krankenkassen. Das hört sich zunächst ja mal ganz gut an, und auch die Medienwirksamkeit, die dieser geplante Vorstoß nach sich zog, war und ist gewaltig. Viele glauben an eine Wende innerhalb des deutschen War on Cannabis, viele sind davon überzeugt, dass sich jetzt etwas tut – ja tun muss! Dem ist allerdings und leider nicht wirklich der Fall.

Aber fangen wir von vorne an: Eine Handvoll Cannabis-Patienten hatte voriges Jahr vor dem Verwaltungsgericht in Köln erstritten, dass es dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), besser gesagt: der dieser Behörde untergeordneten Bundesopiumstelle, nicht grundsätzlich gestattet ist, Anträge auf Homegrowing grundsätzlich abzulehnen. Hanfmedizin aus der Apotheke ist teuer (14 bis 25 Euro pro Gramm!), und die meisten Patienten können sich deshalb nur sporadisch mit ihrer Medizin versorgen. Der Anbau der Medizinalpflanzen zu Hause wäre deutlich sinnvoller und würde die Gesellschaft und das Gesundheitssystem (sprich: die Krankenkassen) nicht belasten, weil niemand den Heimanbau bezahlen müsste. Das sah auch das Verwaltungsgericht in Köln so und urteilte, dass das BfArM nicht per se entsprechende Anträge abweisen dürfe. Es müsse sich, so das Gericht, jeweils um Einzelfallentscheidungen handeln, nämlich so, wie es ja schon mit den Ausnahmeerlaubnissen gehandhabt wird (Soft Secrets berichtete über dieses Urteil). Damit standen die Damen und Herren von der Prohibitionsfront allerdings ziemlich dumm da – und das gefiel ihnen natürlich nicht. Nun war guter Rat teuer: Wie sollte man verhindern, was auf keinen Fall passieren darf? Den herrschenden Parteigenossen war und ist nämlich durchaus klar, was geschieht, wenn auch nur ein einziger Patient das Recht auf medizinisches Homegrowing gerichtlich erstreitet oder gar von der Opiumstelle genehmigt bekommt: Viele andere werden nachziehen. Und deshalb kam die Regierung auf eine (aus ihrer Sicht) kluge Idee.

Kurze Zeit nach dem Urteil wurde durch die öffentlichen Organe verkündet, dass die deutsche Bundesregierung sich nun dafür einsetzen wird, dass ab 2016 die Krankenkassen das überteuerte Weed für all jene bezahlen, die eine Ausnahmegenehmigung ihr Eigen nennen. Ein Großteil der Leute rechnet das den machthabenden Politikern hoch an – viele freuen sich und sind guten Mutes, dass sich nun endlich etwas ändern wird. Aber weit gefehlt: In Wahrheit handelt es sich bei der geplanten gesetzlichen Veränderung nur um eine Taktik, die verhindern soll, dass auch nur einer der betroffenen Patienten eine Erlaubnis zum Homegrowing bekommt. Immerhin gibt es dann ja keinen Grund mehr, den Anbau zu gestatten – jeder Patient soll doch einfach zur Apotheke gehen und sich seine Medizin holen können, auch wenn er oder sie vom Hartz-IV-Regelsatz leben muss. Der Arzt, Buchautor, Aktivist und Experte für Cannabis-Medizin Dr. med. Franjo Grotenhermen nennt diese Finte das „Cannabis-Eigenanbau-Verhinderungsgesetz“.

In Wirklichkeit werden wir hier alle, aber besonders die Cannabis-Patienten, vorgeführt und veräppelt. Denn das Gesetz, dass die paranoiden Cannabis-Gegner aus der Bundesregierung sich da ausgedacht haben, hinkt an allen Ecken und Enden. Denn letztlich kann die Regelung, dass Krankenversicherungen die Kosten fürs Apothekengras vollständig übernehmen, auch nicht wirklich über die eigentlichen Probleme hinwegtäuschen: Und die liegen nicht nur in den überteuerten Preisen des Weeds, sondern auch und vor allem in der mangelnden Verfügbarkeit der medizinischen Blüten. Medizinalgras wird in den Niederlanden, genauer in Amsterdam, von der Firma Bedrocan hergestellt und in verschiedene Länder exportiert. Allerdings nur die Mengen an Marijuana, die in Holland nicht selber benötigt werden. So bekommen die anderen lediglich das, was übrigbleibt. Und wenn dann der Bedrocan mal eine Ernte ausfällt, was auch schon vorgekommen ist, dann müssen deutsche (und andere) Patienten mitunter mehr als zwei Monate warten, bis sie an eine oder zwei Dosen mit fünf Gramm Weed gelangen. Das ist allein im vergangenen Jahr, aber auch dieses Jahr, schon mehrfach der Fall gewesen.

Und mangelnde Verfügbarkeit ist selbst dann ein Problem, wenn der Patient über ausreichend Geld verfügt und auch, wenn die Kasse dazu verdonnert wurde, die Medizin zu bezahlen. Und genau das ist es, was die Regierung sich nicht gründlich genug überlegt hat. Denn auch für den Fall, dass mangels Lieferbarkeit die nötige Medikation nicht verfügbar ist, wäre der Anbau zu Hause das beste und günstigste Mittel der Wahl. Dies wird dann als nächstes vor den Gerichten zu erkämpfen sein.

Doch bleiben wir optimistisch: Viele Politiker haben mittlerweile eingesehen, dass die derzeitige Cannabis-Verbotspolitik sinnlos ist und in eine Sackgasse führt. Entsprechende Meldungen liest man zurzeit fast täglich in den deutschen Zeitungen. Politiker aus Regierungskreisen wie auch Bürgermeister und deren Städte und Gemeinden setzen sich immer häufiger für eine Veränderung der Hanfprohibition in Richtung Akzeptanz und Regulation ein – auch und gerade für Menschen, denen Hanf als Heilmittel nützlich ist. Bleibt zu hoffen, dass die Cannabis-Befürworter demnächst die Mehrheit bilden und sich gegen die Konservativen von CDU und CSU durchsetzen werden. Homegrowing für Patienten wäre günstig, effektiv, immer verfügbar – und würde niemandem schaden. Im Moment müssen viele nur unnötig leiden.

 

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