Kritik an Dunedin-Studie wird laut

Soft Secrets
03 Jul 2013

Lässt Cannabis jugendliche Konsumenten tatsächlich dümmer werden? Erst Ende letzten Jahres hatte eine groß angelegte internationale Studie diese Frage mit einem klaren „Ja" beantwortet (soft secrets berichtete). In der deutschen Medienlandschaft wurde dies zum Anlass genommen, zahlreiche Schlagzeilen und Nachrichtenmeldungen zu generieren, die reißerische Aussagen wie „Haschisch macht dumm" verbreiteten.


Lässt Cannabis jugendliche Konsumenten tatsächlich dümmer werden? Erst Ende letzten Jahres hatte eine groß angelegte internationale Studie diese Frage mit einem klaren „Ja" beantwortet (soft secrets berichtete). In der deutschen Medienlandschaft wurde dies zum Anlass genommen, zahlreiche Schlagzeilen und Nachrichtenmeldungen zu generieren, die reißerische Aussagen wie „Haschisch macht dumm" verbreiteten.

Damals hatte ein internationales Forscherteam festgestellt, dass der IQ von Jugendlichen, die exzessiv Cannabis konsumierten, auch Jahre später noch deutlich niedriger war, als der ihrer Altersgenossen. Die Forscher interpretierten dies als Indiz für eine anhaltende Schädigung des Gehirns – doch nun wies ein norwegischer Forscher nach, dass die der damaligen Studie zugrundeliegenden Daten falsch interpretiert wurden.

Als die Studie von Madeline Meier und ihren Kollegen von der Duke University im August 2012 erschien, sorgte sie prompt für großes mediales Aufsehen – und zwar weltweit. Die Forscher schienen damit stichhaltige Beweise dafür geliefert zu haben, dass Cannabis langfristige Schäden im Gehirn junger Menschen verursachen kann, die heftig kiffen bzw. gekifft haben. Basis ihrer vermeintlich wissenschaftlichen Schlussfolgerung waren die Forschungsdaten der sogenannte „Dunedin-Studie“ - einer Erhebung, bei der insgesamt 1.037 Menschen aus dem neuseeländischen Städtchen Dunedin von Geburt an und bis zu ihrem 38. Lebensjahr regelmäßig gesundheitlich und psychologisch untersucht wurden. Madeline Meier und ihre Kollegen hatten anhand dieser Daten auch den Zusammenhang zwischen dem Cannabiskonsum der Teilnehmer und der Entwicklung ihres IQ zwischen ihrem 13 und 38 Lebensjahr untersucht.

Bei der Auswertung der Studiendaten zeigte sich ein scheinbarer Zusammenhang: Je mehr und regelmäßiger die Teilnehmer nach eigenen Angaben Marihuana oder Haschisch geraucht hatten, desto schlechter schnitten sie in den verschiedenen IQ-Tests ab. Immerhin wurde in Betracht gezogen, dass auch andere Umstände zu den kognitiven Einbußen geführt haben könnten. Deshalb prüften die Forscher damals auch sechs weitere mögliche Einflussfaktoren - darunter Alkoholismus und Abhängigkeit von anderen harten Drogen, schizophrene Neigungen und Zigarettenkonsum. Auch die Dauer der Schulbildung wurde berücksichtigt - aber da sich für keinen dieser Faktoren eine klare Korrelation zur Intelligenz der Teilnehmer ergab, sahen Madeline Meier und ihre Kollegen die Ursache für den festgestellten IQ-Rückstand ganz klar beim starken Cannabiskonsum der Probanden.

Den möglicherweise entscheidenden Faktor haben die Forscher damals aber offenbar übersehen: Die sozialen Umstände. Das erklärte jedenfalls der norwegische Forscher Ole Røgeberg vom "Ragnar Frisch Centre for Economic Research" in Oslo und belegte dies in einer eigenen Studie, die er im Januar diesen Jahres veröffentlichte. Ausgehend von den gleichen Daten (denen der "Dunedin-Studie") rechnete er vor, dass die sozialen Verhältnisse der Teilnehmer und ihrer Eltern allein bereits ausreichen, um ihr schlechteres Abschneiden bei den IQ-Tests zu erklären.

"Dass die sozio-ökonomische Umgebung von Kindern ihre Intelligenz und geistige Entwicklung ursächlich beeinflusst, haben unter anderem Adoptionsstudien bereits gezeigt", erklärte Røgeberg. Denn dass das soziale und ökonomische Umfeld eines Menschen eine wichtige Rolle für seinen IQ spielt, sei nicht wirklich neu. So habe eine kanadische Studie, die Teilnehmer einer sozial sehr homogenen Gruppe (Angehörige der weißen Mittelschicht) untersuchte, keinerlei langfristige Effekte des Cannabiskonsums auf die Intelligenz festgestellt.

"Es wäre vielleicht ein wenig zu hart, die Studie von Madeline Meier komplett zu diskreditieren, aber fairerweise muss man sagen, dass ihre Methodik fehlerhaft und die Schlussfolgerungen voreilig waren", erklärte Røgeberg. Aus den vorliegenden Daten ließe sich nicht ablesen, ob der niedrigere IQ einiger Probanden tatsächlich auf negative neuro-physiologische Folgen des Cannabis-Konsums zurückgehe oder aber auf die Einflüsse aus ihrer jeweiligen sozialen Umgebung.

"Sollten die Effekte eher auf Kultur als auf Pharmakologie zurückgehen, muss dies auch bei Entscheidungen über den politischen und gesetzgeberischen Umgang mit diesem Thema berücksichtigt werden" erklärte Røgeberg. Und niemand widersprach - auch wenn diese Nachricht nicht mal ansatzweise so große mediale Kreise zog, wie die Schlagzeile "Haschisch macht dumm".

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