Medizinalhanf und Führerschein?

Soft Secrets
18 Aug 2016

Bei einer Diskussionsrunde auf der Cannabis XXL 2015 in München erklärte Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband, dass Patienten, die auf den Führerschein angewiesenen sind, es sich sehr genau überlegen sollten, ob sie eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG für den Erwerb von medizinischen Marijuanablüten aus der Apotheke beantragen sollen.


Bei einer Diskussionsrunde auf der Cannabis XXL 2015 in München erklärte Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband, dass Patienten, die auf den Führerschein angewiesenen sind, es sich sehr genau überlegen sollten, ob sie eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG für den Erwerb von medizinischen Marijuanablüten aus der Apotheke beantragen sollen.
Bei einer Diskussionsrunde auf der Cannabis XXL 2015 in München erklärte Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband, dass Patienten, die auf den Führerschein angewiesenen sind, es sich sehr genau überlegen sollten, ob sie eine Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG für den Erwerb von medizinischen Marijuanablüten aus der Apotheke beantragen sollen. Zum einen hat der normale Patient ohnehin kein Geld, um diese Preise zu bezahlen. Zum anderen gibt es laufende Lieferengpässe. Gerät der Patient in eine Verkehrskontrolle oder auch eine allgemeine Personenkontrolle und möchte sich als Patient erklären, ist der Lappen vielleicht weg. Laut Theo Pütz, dem Führeschein-experten in Cannabisfragen, wird die Führerscheinstelle oder in deren Vertretung die MPU fragen, wie denn bei mangelnden finanziellen Mitteln oder mangelnder Versorgungslage über die Apotheken eine „konstante Medikamenteneinnahme“ gewährleistet werden kann. Werden die Medikamente mal genommen und mal nicht, habe das negative Auswirkungen auf die Fahrtauglichkeit. Außerdem kann man ein nicht standardisiertes Medizinprodukt ohnehin nicht exakt dosieren, weshalb die Fahrtauglichkeit angezweifelt werden könnte. Dies wäre bei anderen Erkrankungen, wie Epilepsie ober bei der Einnahme gewisser Medikamente, auch problematisch. Aber die Führerscheinstelle wird davon in der Regel nichts erfahren, da es Schweigepflichten der Ärzte und Apotheker gibt. Beim Medizinalhanf unterliegt die Polizei jedoch anderen Reglements und leitet diese Infos gerne weiter.
Es gibt viele Argumente, warum man die Ausnahme-genehmigung gar nicht erst beantragen möchte und selbst wenn, muss immer noch ein mitwirkender Arzt gefunden werden. Ein Grund, um diese Ausnahmegenehmigung nicht zu beantragen, ist der finanzielle Aspekt: Als ärmlicher Frührentner kann man sich bereits die Preise beim Dealer nicht leisten, die Apothekenpreise sind noch höher und es bleibt eigentlich nur das Elend oder der Eigenanbau. Es gibt bereits deutsche Patienten, die für ihren Eigenanbau nicht verurteilt wurden und die in dieser „Notstand-Grauzone“ weiter anbauen, es jedoch nicht dürfen. Das Ziel lautet in der Regel, gar nicht erst vor dem Richter zu landen. Wer als Patient realistisch denkt, beantragt deswegen vielleicht die Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 BtMG gar nicht und baut heimlich an. Das ginge auch mit der Ausnahmegenehmigung, aber diese wäre möglicherweise bereits ein Verdachtsmoment für die Ermittler oder auch für die Nachbarn oder Bekannten. Ist man aufeinander wütend, kann schnell mal eine Anzeige erstattet werden, um sich über den „Rechtsweg“ Genugtuung zu verschaffen. Inzwischen gibt es sogar einen Patienten, der in Leipzig in letzter Instanz die Erlaubnis zum Eigenanbau erhielt (siehe Titelstory auf dem Cover), weitere werden dieses Recht für sich einfordern. Außerdem werden Marijuanablüten möglicherweise schon in wenigen Monaten mit einem einfachen BtM-Rezept verschreibungsfähig. Der Patient hätte noch immer erhebliche Erklärungsnot bei einem Drogenschnelltest. Selbst wenn er keine Versorgungsengpässe hat, könnte sein Führerschein durch die Verwendung von Marijuanablüten anstelle eines standardisierten Cannabis-Fertigarzneimittels wie zuvor angreifbar sein. Steht man jedoch irgendwann vor dem Richter und findet einen mitwirkenden Arzt, kann man sich vielleicht aus dem Gröbsten rausreden. Sobald Cannabis auf BtM-Rezept verschrieben und durch die Kassen gezahlt wird, sollte man deswegen einen mitwirkenden Arzt suchen und der unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht.
Patient Oliver Kaupat aus Leverkusen kalkulierte einst auch, dass sein Geld nicht für Apoweed genügen wird und er die Ausnahmegenehmigung erst gar nicht beantragt, sondern ein Growzelt im Keller aufstellt. Wie sollte es anders kommen, als dass eine wütende Nachbarin mal schnell die Beamten rief, die alles wie nach einem „Wildschein-Einsatz“ in Abwesenheit des Patienten zurückließen. Das alles passierte im Frühjahr 2014 und es ging Kaupat über Monate gesundheitlich sehr schlecht. Dass dem bösen „Drogenkriminellen“ noch die Kündigung für die Wohnung ins Haus segelte, machte alles nicht besser. Oliver Kaupat suchte Dr. Franjo Grotenhermen, den führenden deutschen Cannabismediziner, auf. Um die Ausnahmegenehmigung zu erhalten, ist eine dokumentierte Patientenvergangenheit notwendig, um begründen zu können, dass andere Medikamente nicht den gewünschten Erfolg bringen und die Verabreichung von Cannabis zur Linderung der Erkrankung notwendig ist. Weil sich der Gerichtsprozess hinzog, konnte Oliver Kaupat seine Ausnahmegenehmigung bereits zur Verhandlung vorzeigen. Er wurde mit einer Geldbuße bestraft. Er ging in Berufung und kam mit Bewährungsauflage und einer Rüge straffrei aus dem Prozess. Es kann erheblich strafmildernd wirken, wenn ein Mediziner die medizinische Notwendigkeit des Marijuanas belegt. Es darf allerdings in keinem Fall ein Anhaltspunkt für Dealerei oder Weitergabe vorliegen.
Oliver Kaupat empfindet seine Situation nach dem Urteil als maßgeblich verbessert. Er hat zwar eine Bewährungsauflage, aber er hat die Ausnahmegenehmigung in der Tasche und kann mit dieser und seinem Medizinhanf durch jede Kontrolle gehen. Er selber als ehemaliger Taxifahrer ist nicht zwingend auf ein Auto angewiesen und sollte man ihm den Lappen nehmen, dann würde seine Welt nicht zerbrechen. Es soll dennoch ein ernüchterndes Fazit gezogen werden: Mit der Ausnahmegenehmigung kostet das medizinische Marijuana in den Apotheken noch immer mehr, als auf dem Schwarzmarkt. Weiterhin muss es in der Apotheke erst einmal etwas geben, das man kaufen kann. Oliver Kaupat ist mit seiner Ausnahmegenehmigung selbst mit seinem geringen Bedarf ungenügend medizinisch versorgt. Wäre sein Eigenanbau nicht aufgeflogen, wäre er in jedem Fall besser medizinisch versorgt gewesen. Auf der Dampfparade 2015 in Köln, der deutschen Patientendemo für die Hanflegalisierung, berichteten Cannabispatienten sinngemäß Folgendes: „Wir dachten, dass mit der Ausnahmegenehmigung all unsere Probleme aufhören würden und wir endlich ein besseres Leben hätten. Nach dem Erhalt dieser Genehmigung stellen viele von uns jedoch fest, dass diese Hoffnung sich derzeit nicht erfüllt und gravierende Probleme nach wie vor bestehen und es praktisch nicht besser für den Lebensalltag wird.“
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