Mit hanfgrünen Grüße aus Moskau…

Soft Secrets
05 Nov 2018

Wie ist es eigentlich im größten Land der Erde um unsere Lieblingspflanze Cannabis bestellt? Darüber sprachen wir mit einem, der das ganz genau wissen sollte, mit Nikolai Gorshkoff, der vor über zehn Jahren den allersten Growshop Moskaus eröffnete, nachdem er aus dem fernöstlichen Jakutien als junger Mann in die russische Hauptstadt kam.


 

Wie ist dir ganz persönlich Hanf zum ersten Mal begegnet?

Als ich in der Nähe von Wladiwostok studierte - das war etwa sechs Jahre nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und für Viele eine schreckliche Zeit - mietete ich eine kleine Wohnung und lernte bald meine neuen Nachbarn kennen, die gerne mal Cannabis rauchten. Wir waren bald alle der Meinung, dass Kiffen viel leichter und angenehmer als Wodka-Trinken sei - wir hatten schon öfters gesehen, wie Wodka zu großen Dramen führt.

Cannabis lies uns dagegen die Welt ganz anders sehen - wir konzentrierten uns eher auf die Chancen als auf die Abgründe und gaben uns nicht irgendeiner diffusen Zukunftsangst hin. Ich merkte auch bald, dass ich selbst unter dem Einfluss von THC immer noch gut studieren, forschen oder arbeiten konnte. Vor allem, wenn mich das Thema interessiert.

Wächst in deiner Heimat Jakutien Hanf eigentlich auch noch wild?

Ja, unser fernöstliches Volk hat viele eigene Märchen und Sagen in denen Schamanen ganz verschiedene Naturkräuter rauchen. Das war natürlich lange bevor die Weißen in unser Land kamen und mit ihnen schließlich auch der Tabak seinen Siegeszug aus Amerika nach Europa und von da über Moskau bis nach Jakutien fortsetzte. Es gibt viele alte Abbildungen und Skulpturen von Schamanen, die ganz offensichtlich Cannabis rauchen. Dazu passt, dass in unserer Region Hanf auch vielerorts wild wächst und obwohl er wegen der ungünstigen klimatischen Bedingungen nicht besonders stark ist - psychoaktiv ist er allemal.

Wie illegal ist Cannabis heutzutage in Russland? Oder besser gefragt: Was ist der aktuelle rechtliche Status und wie sieht die Praxis aus?

Da muss ich etwas ausholen und geschichtlich zurückblicken: In der ehemaligen Sowjetunion wurde auf über einer Million Hektar THC-armer Hanf als Nutzpflanze für die Textil- und Hanfsamenöl-Produktion angebaut. Die bei der Ernte eingesetzten Traktoren waren danach immer sehr klebrig, da viel Blütenharz bei der Ernte auf den Traktoren und den Ernte-Werkzeugen haften blieb. In gewisser Weise waren Traktor und Werkzeuge in eine dünne Haschisch-Schicht eingehüllt, die es nach der Ernte zu entfernen galt. Bald machte die Runde, was man mit dem abgekratzten Harz noch so alles anstellen kann, anstatt es einfach nur wegzuputzen. Dieses "Traktoren-Hasch" wurde sogar auf regionalen Märkten ganz offen verkauft - das war in der Sowjetunion auch nicht verboten, da es einfach keinen interessiert hat.

Außerdem wurde auch in sowjetischen Gefängnissen viel gekifft - damals waren ca. 25% aller Sowjetbürger früher oder später einmal im Gefängnis und machten dort oft auch Bekanntschaft mit Cannabis. Natürlich haben jene, die damals Cannabis im Gefängnis oder dieses "Traktoren-Haschisch" rauchten, nicht groß darüber gesprochen. Daran änderte auch die von den USA initiierte UNO-Resolution von 1961 nichts - erst der Zusammenbruch der Sowjetunion veränderte die Lage grundlegend. Plötzlich wollten die Polizisten dafür bezahlt werden, dass sie die zuvor geduldeten Hasch-Verkäufe auch weiterhin nicht interessieren oder sie gingen direkt dagegen vor.

So begann praktisch erst in den 90er Jahren die Kriminalisierung von Cannabiskonsumenten in Russland. Mit der Sowjetunion verschwand dann auch der massenhafte Nutzhanf-Anbau und es wurde allen Bürgern verboten, Cannabis in irgendeiner Form zu kultivieren. Wer sich nicht daran hielt oder mit Cannabis in der Tasche erwischt wurde, galt fortan als kriminell und wurde eingesperrt - ganz egal, ob er nun mit einem Gramm oder mehreren Kilos erwischt wurde.

Nachdem 2008 Dmitri Medwedew vorübergehend Putin an der Spitze des Landes ablöste und russischer Präsident wurde, passte man die Gesetze etwas der Realität an und führte die geringfügige Menge von bis zu sechs Gramm getrockneten Hanfblüten und bis zu 19 selbst angebaute Pflanzen ein, die seitdem landesweit gilt. Wenn man also mit weniger als sechs Gramm oder weniger als 19 Pflanzen erwischt wird, geht man dafür heute normalerweise nicht mehr ins Gefängnis.

Wie kommt es denn überhaupt, dass in Russland der Handel mit potenten Hanfsamen erlaubt ist? In dieser Beziehung seid ihr ja deutlich weiter als Deutschland und manch andere EU-Nation...

Das ist ganz einfach: Hanfsamen sind hier legal, weil sie selbst ja kein THC enthalten. Insofern sind auch potente Samen gar kein Problem, solange man sie nicht in größerer Menge in die Erde steckt. Sicherheitshalber verkaufen wir selbst keine Samen - weder in unserem Shop in Moskau, noch online. Aber auf anderen Internetseiten kann man auch in Russland hoch-qualitative Samen von international renommierten Samenbanken bestellen.

Versendet werden die Samen in der Regel mit zuverlässigen Kurierdiensten, so läuft das seit etwa vier Jahren hier. Wahrscheinlich könnte man auch problemlos Stecklinge in Russland verkaufen und versenden, da ja auch Stecklinge kein THC enthalten - bisher hat sich das aber einfach noch keiner getraut. Allerdings denken wir schon darüber nach - ich selbst habe bereits mit unserem Anwalt über diese Möglichkeit gesprochen, praktisch bin ich sie aber noch nicht angegangen.

Gibt es inzwischen auch russische Samenbanken und Breeder, die mit heimischen Originalsorten arbeiten?

Ja, einige wenige russische Breeder und Samenbanken gibt es heutzutage schon, auch wenn deren Angebot und Verkäufe eher im Graubereich sind. Zum Teil sind das einfach nur Versandhändler, die bei den großen Samenbanken - von Dinafem bis Sensi Seeds - verschiedene Sorten beziehen und diese dann schon seit Jahren auf dem russischen Markt verkaufen. Beim Import kann es schon mal Probleme beim Zoll geben - muss es aber auch nicht. Manche Händler nehmen die importierten Samen aus ihren Originalverpackungen und verpacken sie neu und ganz unauffällig für den nationalen Versand, der ja nicht weiter kontrolliert wird.

Und inzwischen gibt es mit X Seeds und Ahh Seeds auch zwei rein russische Samenbanken, die hier selbst neue Sorten mit eingekreuzter russischer Genetik - insbesondere was eine erhöhte Frostbeständigkeit betrifft - züchten. Manche Grower wollen holländische Samen, andere lieber spanische, amerikanische oder eben auch russische. Aber das sind alles keine offiziellen Verkäufe, bei denen dann z.B. auch irgendwelche Steuern erhoben werden. Da geht es einfach nur darum eine Nachfrage zu befriedigen und damit Geld zu verdienen - die Behörden müssen davon ja nicht zwingend etwas wissen. Das läuft in Russland in ganz verschiedenen Bereichen so und ist wahrlich nichts außergewöhnliches.

Sind dir Zahlen bekannt, wieviele Russen heutzutage rmehr oder weniger regelmäßig Cannabis konsumieren?

Das ist sehr schwer zu sagen, da es hierzu keine repräsentativen Umfragen oder offiziellen Zahlen gibt. Denn natürlich würden die meisten russischen Kiffer bei solchen offiziellen Umfragen auch lieber verneinen, dass sie Cannabis rauchen. Man weiß aber, dass in Russland über 200.000 Menschen wegen Cannabis im Gefängnis sitzen - und noch einmal mindestens doppelt so viele für andere illegale Drogen, vor allem Opioide. Ich persönlich würde vermuten, dass mindestens 10% der Russen heutzutage gelegentlich oder regelmäßig Cannabis konsumieren.

In welchen russischen Städten ist Cannabis besonders beliebt?

Die meisten Hanffreunde leben heutzutage sicherlich in Sankt Petersburg, wo auch am meisten Cannabis auf dem Schwarzmarkt erhältlich ist. Das liegt vor allem daran, das über den dortigen baltischen Hafen z.B. marokkanisches Haschisch und andere Cannabisprodukte nach Russland gelangen. Ich glaube, nirgendwo in Russland riecht man häufiger Cannabisrauch in den Straßen als in Sankt Petersburg. In Moskau und in anderen russischen Großstädten ist es dagegen recht schwierig, sich eine gute Quelle für Gras oder Haschisch zu erschließen, da muss man dann schon die richtigen Leute kennen und auch mehr dafür bezahlen als in Sankt Petersburg.

Und was kostet in Moskau ein Gramm gutes Gras derzeit?

Ich selbst habe natürlich noch nie etwas auf dem Schwarzmarkt gekauft oder verkauft, aber ich vermute jetzt einfach mal, dass der Preis letztendlich von der Gesamtmenge abhängt, die verkauft wird. Bei zehn Gramm kostet dich das Gramm wohl so zwischen zehn und fünfzehn US-Dollar - insgesamt zahlt man also irgendetwas zwischen 100 und 150 US-Dollar für zehn Gramm in Moskau. Und je mehr man kauft, desto günstiger wird der Gramm-Preis natürlich.

Zahlt man auf dem russischen Schwarzmarkt eigentlich immer mit US-Dollar oder kann man hier auch mit Rubel zahlen?

Das geht schon, aber seit den 90er Jahren haben wir Russen alle Waren und Dienstleistungen mit dem US-Dollar verbunden, auch wenn unsere Währung inzwischen frei konvertierbar ist. Dabei verlor der Rubel aber zwischenzeitlich sehr an Kaufkraft, wogegen der US-Dollar im Kurs stieg. Deshalb ist der US-Dollar für viele Russen nach wie vor die praktikablere Alltagslösung, wenn es um Bargeldgeschäfte geht. Aber auch hierzu gibt es eigentlich gar keine verlässlichen Daten - geschweige denn offizielle.

Wäre Cannabis nicht eine gute Alternative zu dem in Russland weit verbreiteten Wodka? Das könnte sich doch ruhig herumsprechen...

Natürlich wäre Hanf eine gute Alternative zu Wodka bzw. zu Alkohol im allgemeinen - das sehe ich ganz genauso. In Russland finden sich aber kaum Mediziner, die Cannabis als alternative Freizeitdroge empfehlen, da es hier etwa 12 Jahre dauert, bis man nach einem langen Studium letztendlich ein vollwertiger bzw. praktizierender Arzt wird - und dann will man es natürlich auch bleiben. Viele russische Ärzte sehen zwar sicherlich auch die Vorteile von Cannabis gegenüber Alkohol - aber sie würden das nie öffentlich äußern, da sie so Gefahr liefen, der aktuellen russischen Rechtssprechung nach "Propaganda für Drogen" zu machen und ihre Zulassung als Arzt verlieren zu können. Das hemmt natürlich auch die gesellschaftliche Debatte um Cannabis als Medizin enorm.

Also darf Cannabis in Russland bisher auch nicht als Medizin genutzt werden?

Leider nein, THC gilt hier - genauso wie Cannabis - immer noch als eine höchst illegale und somit zu verteufelnde Droge, die keinerlei nachgewiesenen medizinischen Nutzen aufweist. Und die Mühlen der Justiz und der Rechtssprechung mahlen leider auch in Russland recht langsam, insofern wird es wohl sobald auch keine nennenswerten Gesetzesänderungen pro Cannabis geben. Es sei denn, Putin persönlich erklärt Cannabis plötzlich zu einem wertvollen Heilkraut - dann könnte alles ziemlich schnell gehen. Aber danach sieht es im Augenblick leider nicht aus.

Was schätzt du - wann wird Cannabis auch in Russland legal sein?

Hm, ich vermute mal, dass ich wohl so um die 60 Jahre alt sein werde, bis Cannabis auch in Russland weitgehend legalisiert sein wird. Denn in 20 Jahren wird es kaum noch Russen geben, die Cannabis als eine Gefahr und eine schlimme Drogen ansehen und es partout bekämpfen wollen. Zuvor müssen wir aber erstmal das CBD-Verbot abschaffen und Cannabis als Medizin zulassen - das wird sicherlich auch etwa 10 Jahre dauern.

Das klingt ja nicht sehr optimistisch...

Ich versuche nur, realistisch zu sein. Viel schneller könnte es eigentlich nur gehen, wenn man Putin überzeugen könnte, sich selbst für eine Legalisierung von Cannabis einzusetzen - denn er hätte die Macht, tatsächlich eine vollständige Legalisierung zügig umzusetzen. Tatsächlich hat er in der Vergangenheit ja auch schon unpopuläre Entscheidungen getroffen und durchgesetzt, ohne dass es seinem hohen Ansehen in Russland nennenswert geschadet hätte. Insofern besteht auch noch etwas Grund für Optimismus. Text: M-Dog / Fotos: Konoplex und growtrade

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