Suchtberatung sieht hell

Soft Secrets
11 Apr 2017

Ralf Krämer ist Leiter der Heidelberger Beratungsstelle der Fachstelle Sucht, die sich auf die Betreuung von Abhängigen illegalisierter Drogen spezialisiert hat. Im Gespräch mit der Rhein-Neckar-Zeitung erzählt er von seinem Beruf und von seinen Erfahrungen in der Suchtberatung.


Heidelberger Drogenberatungsstelle gegen Legalisierung von Cannabis

Dabei sieht Ralf Krämer in Cannabis eines der größten Probleme - wenn nicht gar das größte Problem überhaupt. Zwar sei er nicht für eine Holzhammer-Prohibition, wohl aber gleichsam gegen eine Legalisierung des Hanfs. Wir haben das Interview für euch gelesen und einige der Aussagen Ralf Krämers kritisch hinterfragt. Würde Cannabis legalisiert, so ist Ralf Krämer der Ansicht, "dass dies auch dazu führen würde, dass wir mittelfristig eine höhere Zahl von Leuten mit Problemen und Abhängige haben werden. Wenn man den Konsum nicht mehr klar verbieten würde, hätten wir mittelfristig viel mehr jugendliche Kiffer." Wir sagen: Das ist realitätsfremd.

Beispiele in Ländern, die Cannabis in welcher Art auch immer freigegeben haben, warten mit diesbezüglichen Fakten auf, die eine deutliche Sprache sprechen. Schauen wir uns nur die Niederlande, Portugal, Uruguay und die diversen US-amerikanischen Bundesstaaten an, in denen Cannabis auch für den Freizeitkonsum legalisiert ist. Von einem Mehr an jugendlichen oder gar kindlichen Kiffern ist in keinem der Fälle zu reden, das belegen die Statistiken. Zum Thema der Cannabis Social Clubs (CSC) befragt, antwortet Ralf Krämer im Grunde das gleiche, kleidet es nur in andere Worte: "Ich bin nach wie vor der Meinung, dass eine Legalisierung ein gesamtgesellschaftliches Experiment mit unklarem Ausgang wäre. Aus präventiven Gesichtspunkten wäre es in meinen Augen die falsche Entscheidung."

Auch hier können wir getrost auf Erfahrungen jener Länder zurückgreifen, die mit Cannabis weniger repressiv umzugehen pflegen, als unser Land es tut. Dass die Legalisierung ein Experiment mit unklarem Ausgang sei, kann z.B. die Situation in Portugal widerlegen. Dort sind sogar der Konsum sämtlicher Drogen und der Besitz geringer Mengen entkriminalisiert worden. Und das bereits 2001! Über eine Zunahme einer wie auch immer gearteten "Drogenproblematik" ist dort nichts zu hören - ganz das Gegenteil ist der Fall. Seit der Revision der portugiesischen Drogenpolitik hat sich die Lage um ein Viefaches entspannt. Das lässt sich innerhalb weniger Sekunden mittels einer Internetsuchmaschine mehrfach verifizieren. Was die von Krämer angesprochene vernünftige Prävention betrifft, so ist eine solche gerade dann erst möglich, wenn potenziell riskante Stoffe wie psychoaktive Substanzen auch kontrolliert hergestellt und abgegeben werden. So war zu Zeiten der US-amerikanischen Alkoholprohibition der Verzehr von alkoholischen Getränken deutlich gefährlicher, weil die Produkte illegal und in Eigenregie sowie häufig in Kellerlabors von Laien hergestellt wurden.

Die Aufhebung des Verbots führte dazu, dass Alkoholika überwacht und kontrolliert produziert und an nur volljährige Personen verkauft wurden. Wir sehen also: Die Verfechter der konventionellen Drogenpolitik kicken sich mit ihren unqualifizierten Aussagen häufig selber ins Abseits. Wir sollten nicht versuchen hellzusehen, sondern statt dessen schauen, was andere Länder, die über Erfahrungswerte verfügen, über ein Ende des Drogenkriegs zu sagen haben. Überhaupt ist ein Suchtberater der denkbar schlechteste Experte zum Thema Drogenpolitik, ist er doch ausschließlich mit jenen Menschen befasst, die aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur oder früherer Traumata etc. in eine Abhängigkeit geraten sind.

Nicht die Substanzen machen die Sucht, sondern der Charakter oder auch die Biografie eines Menschen entscheiden über Ausprägungen von Abhängigkeiten - seien es Drogen, sei es das Spiel, das Fernsehen oder das Internet. Deshalb muss eine sinnvolle Drogenpolitik das gesamte Bild überschauen und entsprechend danach handeln. Suchtberater kennen meistens nur die eine Seite, die Seite der kranken Menschen nämlich. Wie viele Menschen weltweit einen ungefährlichen, ins Leben eingebetteten Drogenkonsum betreiben, erfasst bislang keine Statistik. Es dürften viele Millionen sein.

Quelle: http://www.rnz.de/nachrichten/heidelberg_artikel,-Heidelberg-Heidelberger-Fachstelle-Sucht-Ralf-Kraemer-Cannabis-macht-mir-am-meisten-Sorgen-_arid,267183.html

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