Weed Seed: Anarchie?!

Exitable
09 Sep 2014

Urban Gardening und Guerilla Growing – zwei Schlagwörter, die in den vergangenen Monaten immer häufiger durch die Medien und durchs World Wide Web geistern. Dabei hat diese Form des Pflanzen ziehens mit konventionellem Growing oder Gärtnern nicht viel zu tun


Urban Gardening und Guerilla Growing – zwei Schlagwörter, die in den vergangenen Monaten immer häufiger durch die Medien und durchs World Wide Web geistern. Dabei hat diese Form des Pflanzen ziehens mit konventionellem Growing oder Gärtnern nicht viel zu tun

Urban Gardening und Guerilla Growing – zwei Schlagwörter, die in den vergangenen Monaten immer häufiger durch die Medien und durchs World Wide Web geistern. Dabei hat diese Form des Pflanzen ziehens mit konventionellem Growing oder Gärtnern nicht viel zu tun, geht es den Initiatoren doch schlicht darum, möglichst viel Hanf auszusähen und damit zu vereiteln, dass eifrige Prohibitionisten der zahlreichen Pflanzen Herr werden - oder nur mit größter Mühe. Das Prinzip: Die Aktivisten nehmen Faserhanfsamen und verstreuen sie möglichst überall, wo das Saatgut die Chance hat, rasch aufzulaufen und eine wahre Schwemme an Cannabispflanzen zu produzieren. Gepflegt werden können die auf diese Weise ausgebrachten Gewächse freilich nicht, denn diese Form des „Growing“ – ich nenne sie Freestyle Gardening – ist genauso verboten, wie alle anderen Zuchtprojekte, die sich der Cannabispflanze verschrieben haben. Wir werfen in diesem Artikel einen Blick auf die Sachlage.

So dürften dem geneigten Leser der Soft Secrets zum Beispiel die Aktionen der Autonomen Blumenkinder in Göttingen in Erinnerung sein, die im Juni des vergangenen Jahres für Schlagzeilen sorgten (Soft Secrets berichtete). Die hessische Tageszeitung HNA (Hessisch-Niedersächsische Allgemeine) schrieb, dass die Autonomen Blumenkinder „im Juni Blumenbeete auf dem Wilhelmsplatz mit Hanfpflanzen bestückt [hatten] und damit auf die Forderung nach Legalisierung des Hanfanbaus in Deutschland hinweisen [wollten]“ (Ausgabe vom 10. Juli 2013). Darüber hinaus lobte die Göttinger Grüne Jugend im Nachhall dieser Guerilla-Aktion einen Fotowettbewerb aus, und die HNA berichtete. So seien bei der Polit-Jugendgruppe innerhalb kürzester Zeit Dutzende „Fotos eingegangen, auf denen einige Orte und öffentliche Plätze in der Göttinger Innenstadt zu erkennen sind. Dort scheinen die Hanf-Pflanzen offenbar gute Wachstumsbedingungen vorzufinden“ (10. Juni).

Wer aber jetzt glaubt, dass dies der Auftakt zum Freestyle Growing in Deutschland bzw. im deutschsprachigen Raum gewesen sei, der irrt gewaltig. Immerhin gehören wild wachsende Hanfpflanzen zum Beispiel in Berlin schon lange zum Stadtbild. So entdeckte der Autor dieses Artikels schon vor mehr als fünf Jahren am Prenzlauer Berg diverse Cannabisgewächse – in Gärten, in Parks, auf Friedhöfen und mitten in der Stadt am Wegesrand. Okay, Berlin ist vielleicht nicht das Paradebeispiel. Denn irgendwie hat die Bundeshauptstadt diesen gewissen anarchischen Charakter, der anderen Städten bislang eher abgeht. Könnte man zumindest meinen. Wie auch immer es sich verhält – dem Freestyle Gardening entwächst allmählich eine richtige Szene, die sich darum bemüht, den Hanf wieder großflächig in unsere Lande einzuführen. Und zwar nicht in Form von Coffee Shops und Cannabis Social Clubs, sondern in Form von schier überall gedeihenden Wildpflanzen.

Sogar der „seriöse Markt“ hat das Freestyle Growing bereits für sich entdeckt. So gibt es zum Beispiel das Buch „Mit Samenbomben die Welt verändern“ aus dem Stuttgarter Eugen Ulmer Verlag, der sich als Verlag für seriöse Pflanzen- und Gartenbücher sowie für Tier- und Hobbyliteratur seit Jahrzehnten einen Namen macht. Selbstverständlich beschreibt Autorin Josie Jeffery nicht, wie man Samenbomben aus Saatgut von Cannabispflanzen herstellt und in der Prärie verteilt. In dem Buch geht es ausschließlich um die Verschönerung unserer grauen und technisierten Welt vermittels Blühpflanzen. Die Idee, die dahinter steht, ist jedoch die gleiche. Vermutlich ist aber das populäre Seedbomb Gardening aus dem hanfigen Freestyle Growing hervorgegangen.

Auch neuerdings geht es weiter – es liegen zurzeit aktuelle Berichte von Freestyle Growern aus Erfurt, Frankfurt und Bielefeld vor, aber nicht nur in Deutschland sprießt der wildgewordene Femel, sondern auch in Österreich grünt neuerdings der Faserhanf. Zum Beispiel in Wien. So ist auf Facebook eine Reihe von Bildern dokumentiert, auf denen vor dem Ministerium für ein Lebenswertes Österreich Cannabispflanzen sowie Hunderte Sämlinge am Wiener Ring zu sehen sind. Und auch die Badische Zeitung berichtete kürzlich von Freestyle-Seeds in Freiburg im Breisgau: „... vom Urban zum Guerilla Gardening ist’s nicht weit. Zum Beispiel in 'Bambis Beet', der kleinen Gartenanlage vor dem Stadttheater. Wie wir aus zuverlässiger Quelle erfuhren, erspähte ein Mitarbeiter des Theaters in den Beeten eine Pflanze, die weder Kraut noch Rüben war, sondern – Cannabis. Wie das Rauschmittel da hineingeriet, man weiß es nicht“ (Badische Zeitung vom 16. Juni 2014: „Münstereck: Gärtnern wie im Rausch“).

So schön und nachvollziehbar der Gedanke auch ist, unsere Umgebung grüner zu gestalten: Wir dürfen nicht vergessen, dass wir auch mit der Aussaat von Faserhanfsamen gegen das Betäubungsmittelgesetz verstoßen. Alle wollen plötzlich Seedbomben verteilen – und kündigen das auch an: im Internet, in den Social Media Netzwerken und sonst wo. Es gab sogar von einem anonymisierten Internet-User den Vorschlag, der DHV solle eine Tonne Hanfsamen sponsoren, die dann wild in der Gegend verteilt werden sollen.

Liebe Gemeinde, vergesst nicht, dass dies Freestyle Gardening eine Straftat darstellt und von behördlicher Seite sicherlich nicht als Kavaliersdelikt behandelt wird. Auch der Aufruf, die Idee des Freestyle Gardenings nachzumachen, wird von der Justiz als Aufforderung zum Begehen einer Straftat gewertet und entsprechend geahndet. Und letztlich ist auch der im Bau- und Gartenmarkt erhältliche Vogelfutterhanf nicht zur Aussaat bestimmt, im Gegenteil: Es ist streng verboten, auch den kastrierten Vogelhanf im Garten wachsen zu lassen! Ein entsprechender Hinweis findet sich übrigens auf all diesen Produkten, die als Futtermittel verkauft werden. Deshalb heißt es auch, beim Vögel Füttern aufzupassen! Hanfsamen am besten nur für die Volière verwenden. Denn sprießt vor euerm Haus erst der Faserhanf – und ist er auch noch so impotent – dann dauert es unter Umständen nicht lange, und die Polizei steht vor der Tür.

Herrschaften, wir wissen es doch alle: Die Prohibition ist nicht nur ein Hirngespinst verlogener Möchtegern-Diktatoren. Sie ist vor allem eines: auf ganzer Linie gescheitert. Das kann weder die Polizei noch die Staatsanwaltschaft, nicht die Justiz und auch nicht die Regierung ändern. Die Idee, einen gewissen Hauch von friedlicher Anarchie in der Welt walten zu lassen, ist eine sympathische. Zumal hier niemand geschädigt, sondern im Gegenteil: lediglich die Umwelt um weiteres Grün bereichert wird. Wer Pflanzen sät, wird Blüten ernten. Und ist der Kampf gegen die Natur auch noch so sinnentleert: Eines Tages wird die Vernunft siegen. Warten wir es ab.

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