Cannabis Social Clubs vor dem Aus?

Exitable
15 Oct 2014

In Sachen Relegalisierung von Cannabis tut sich etwas in der Schweiz, so die Annahme in vielen Ländern der EU. Aber was genau und wie viel tut sich denn wirklich?


In Sachen Relegalisierung von Cannabis tut sich etwas in der Schweiz, so die Annahme in vielen Ländern der EU. Aber was genau und wie viel tut sich denn wirklich?

In Sachen Relegalisierung von Cannabis tut sich etwas in der Schweiz, so die Annahme in vielen Ländern der EU. Aber was genau und wie viel tut sich denn wirklich? Die Zeiten der Duftsäckli sind schon lange vorüber. Vor wenigen Jahren hat sich ein Volksentscheid gegen eine Legalisierung von Cannabis gewendet. Dieses Jahr wurde dann das bereits in einigen Kantonen praktizierte Bußenmodell auf Landesebene übernommen. Wer mit bis maximal zehn Gramm Marijuana, Haschisch oder ähnlichen Cannabisprodukten erwischt wird, muss lediglich eine Buße zahlen, es wird jedoch kein Strafverfahren erhoben, es wird auch nichts in die Akten eingetragen. Legal ist das aber noch immer nicht, und da an eine sofortige Legalisierung von heute auf morgen derzeit nur Optimisten denken, ist ein Modellprojekt für CSCs, Cannabis Social Clubs, für die Städte Genf, Zürich, Basel, Biel, Winterthur und Bern im Gespräch. Diese sechs Städte würden gerne den Anbau ausschließlich für Clubmitglieder im Modellprojekt billigen, um in Jahren über die Auswirkungen auf die Konsumenten und die Gesellschaft von einer legal möglichen Cannabisabgabe im Bilde zu sein. Anhand dieser Ergebnisse ließe sich ablesen, sich entweder klar für oder gegen das Hanfverbot auf Bundesebene auszusprechen. Jetzt erklärt jedoch das Schweizer Bundesamt für Gesundheit, dass diese CSCs rechtlich nicht als Modellprojekte eingebürgert werden könnten. Die Begründung für das noch nicht offizielle, aber zu erwartende Ergebnis lautet, dass CSCs Marijuana anbauen und an Konsumenten zwecks Genussgebrauch verteilen. Das hätte jedoch keine rein medizinische oder wissenschaftliche Ausrichtung. Diese Abfuhr erteilt das BAG bereits, bevor eine der Städte einen Antrag auf Genehmigung für ein Modellprojekt gestellt hat. Unklar ist noch, ob alle sechs Städte mitziehen und wie sie ihre Anträge formulieren. Wir haben mit Sven Schendekehl von Legalize it / www.hanflegal.ch gesprochen.

Sven, du engagierst dich bei Legalize it und wirst somit die Rechtslage für Cannabis in der Schweiz  verfolgen. Die Schweiz hat nicht nur in Deutschland den Ruf, mit der Cannabisprohibition weniger repressiv umzugehen, den Kiffern gehe es eigentlich noch ganz gut. Trügt dieser Eindruck? Wenn ihr Schweizer so liberale Menschen seid, warum habt ihr dann nicht einfach für die Legalisierung im Volksentscheid gestimmt?

Die Stadt Zürich zum Beispiel hat der Volksinitiative für die Hanflegalisierung durchaus zugestimmt, wenn auch knapp. Aber gesamtgesellschaftlich ist kiffen nicht mehrheitsfähig: Zu negativ ist das Image, zu groß sind die Ängste.

Und was hat es mit den Bußen auf sich, die in einigen Kantonen bereits seit Jahren die Justiz entlasten? Geht es bei der bundesweiten Umsetzung dieser Praktik wirklich darum, den Konsumentenalltag zu vereinfachen, oder ist es eine Verzweiflungstat, um überlastete Polizeikräfte und Staatsanwälte für wichtigere Aufgaben frei zu halten?

Nun, das war halt der zweite Teil der BetmG-Revision. Hier hat sich die CVP durchgesetzt: Kiffen soll illegal bleiben, aber man muss die Kiffenden nicht unbedingt extrem strafen. Deshalb die 100 Franken Buße. Allerdings ist das Gesetz sehr ungenau formuliert worden. Eigentlich kann es nur dann eine Ordnungsbuße geben, wenn die Polizei jemanden direkt beim Konsum beobachtet und dann bei der Kontrolle weniger als 10 Gramm findet. Der bloße Besitz bis 10 Gramm, ohne Konsum, ist laut Gesetz sogar straffrei. Allerdings geben einige Kantone trotzdem eine Ordnungsbuße, andere verzeigen die Leute wie bis anhin (wegen Verdacht auf anderweitigen Konsum). Auch wer bei einer Kontrolle mit seinem Kampfkiffertum prahlt, kann nach wie vor auf altem Weg verzeigt werden.

Eure Bußen erinnern ein wenig an die geringe Menge in Deutschland, mit der alle glauben, dass Hanfkonsum jetzt legal ist und es damit doch reicht. Aber legal ist es eben nicht. Wie sieht es mit Konsum und Führerschein aus oder mit dem Auffinden von bis zu 10 Gramm mit anschließenden Hausdurchsuchungen. Kommt derartiges vor? Oder wie in Deutschland in einigen Regionen oder von Fall zu Fall?

Was zugenommen hat, sind Hausdurchsuchungen bei Menschen, die in Holland Samen bestellen, die dann vom Zoll entdeckt werden. Führerausweise werden massenhaft entzogen, oder es werden lange und teure Abstinenzkontrollen verlangt.

Noch wurde gar kein Antrag auf ein Modellprojekt für CSCs gestellt, die Absage ist inoffiziell bereits erteilt. War es das jetzt, oder werden die noch nicht gestellten Anträge auf medizinische Nutzung und nur für Patienten als CSC Mitglieder geändert?

Medizinisch ist die Abgabe von THC-haltigen Präparaten bereits heute möglich. Allerdings braucht es dafür immer wieder zu erneuernde Sonderbewilligungen. Die Hürden sind hoch, aber es ist möglich. Ob die Städte wirklich Druck machen wollen, bleibt unklar. Diese Diskussion ist nun schon seit 10 Jahren am laufen, und bisher ist kein einziges Gramm abgegeben worden. Darüber reden und Sitzungen machen, tun sie gerne. Etwas Neues in der Realität ausprobieren, hingegen nicht. Entscheidend wäre, dass es massiven Druck auf die Städte gäbe. Doch das ist zurzeit nicht so.

Angenommen, dass die Modellprojekt-Anträge nur für Patienten gestellt werden und durchkommen. Wer entscheidet denn darüber, wer alles ein Patient ist und wer nicht? In den Bundesstaaten der USA gibt es erhebliche Unterschiede für die Entscheidungsfreiheit der Ärzte.

Medizinisches Cannabis ist ja bereits legal erhältlich. Letztlich muss das Bundesamt für Gesundheit entscheiden, ob jemand eine Sonderbewilligung erhält oder nicht.

Kann der Schweizer Hänfling als einzelne Person aktiv dazu beitragen, dass diese Anträge der Städte doch gestellt werden? Welches wären hier die „ungefährlichen“ Möglichkeiten?

Klar, letztlich liegt es an den Konsumierenden. Wenn sie sich zusammenschließen, ihre Angst verlieren, sich engagieren und kämpfen, ist alles möglich. Doch das ist zurzeit nicht so. Die meisten schauen für sich und werden, wenn sie dann doch mal drankommen, einzeln und allein fertig gemacht. Diese Unfähigkeit zu größeren Aktionen ist das Hauptproblem.

Soweit unsere Fragen, vielen Dank, Sven. Vielleicht werden all diese Pro- und Contra- Diskussionen irgendwann doch überflüssig, wenn unsere Entscheidungsträger selber zu Patienten und somit stigmatisierten Verfolgten werden und dann genau wie zuvor aus persönlichem Interesse ihre Entscheidungen fällen. 

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Exitable