Viel Rauch um Cannabis

Soft Secrets
07 Aug 2017

Am 10. März ist in Deutschland das neue Gesetz zum Umgang mit Cannabis als Medikament in Kraft getreten (siehe Titelstory in Soft Secrets 2/2017). Damit sollte für Cannabispatienten und schwer kranke Menschen, die von Hanfmedikamenten profitieren könnten, alles besser werden. Sie sollten leichter und vor allem schneller an die einstmals „verbotene Medizin‟ gelangen. Nach knapp vier Monaten sieht die erste Bilanz allerdings ernüchternd bis geradezu erschreckend aus: Die Situation hat sich für die meisten Patienten in vielerlei Hinsicht deutlich verschlechtert.


Die Sachlage spielt sich wie folgt ab: Kranke Menschen können sich in der Theorie von ihrem Haus- oder einem Facharzt Cannabis als Medizin verschreiben lassen. Dies funktioniert nach der Gesetzesänderung auf einem Betäubungsmittelrezept. Ausnahmeerlaubnisse, wie es sie bisher gab, sind nicht mehr nötig, noch kann man sie weiterhin beantragen. Es gibt sie nicht mehr. Lässt sich ein Patient also Cannabis auf BTM-Rezept verordnen, so muss er vorher eine Zusage der Kostenübernahme von der Krankenkasse beantragen. Ansonsten kann nur ein Privatrezept ausgestellt werden, das selbst finanziert werden muss. Da nicht klar definiert ist, in welchen Fällen Cannabismedizin veschrieben werden darf – es gibt keinen Indikationskatalog –, lehnen die Krankenkassen bei den meisten der Anträge die Kostenübernahme ab und berufen sich auf mangelnde Evidenz, also auf fehlende wissenschaftliche Beweise für eine Wirksamkeit des Medikaments bei bestimmten Krankheitsbildern.

Damit kommen die Versicherer billig weg. Will sich ein Patient nun das Medizinalcannabis privat finanzieren, steht er vor einem weiteren Problem: Viele Apotheker behandeln mit der Gesetzesnovelle die Cannabisblüten als sogenannte Rezepturarznei. Solche Arzneien müssen von den Apothekern vor Herausgabe hergestellt werden. Im Fall des medizinischen Marijuanas, wo nichts herzustellen ist, zermahlen die Apotheker die Blüten komplett, bevor sie sie abgeben. Das hat zur Folge, dass die flüchtigen Inhaltsstoffe des Cannabis teils verlorengehen, die Qualität des Marijuanas wird durch diesen Eingriff gemindert. Zusätzlich schlagen die Apotheken für diese Maßnahme einen enormen Preis auf – mancherorts müssen Patienten jetzt für 5 Gramm Medizinalcannabis über 200 Euro berappen. Das Ende vom Lied: Patienten kommen reihenweise gar nicht mehr an ihre Medizin oder müssen teils mehr als das Doppelte des Preises von vorher auf den Tisch der Apotheken legen.

Die Krankenkassen lehnen Gesuche um Kostenübernahmen ab, der Medizinische Dienst der Krankenversicherer „begutachtet‟ nach Aktenlage, ohne sich um die hinter den Diagnosen stehenden Menschen zu scheren – und straft in vielen Fällen sämtliche Arztberichte Lügen. Auch Patienten, die bisher über eine Ausnahmegenehmigung von der Bundesopiumstelle verfügten, bekommen unverhohlen Absagen mit der Begründung, es sei wissenschaftlich nicht zu hundert Prozent erwiesen, dass Cannabis in ihrem Krankheitsfalle hilfreich ist. Diese Konfusion bewirkt viel Unsicherheit und zieht nach sich, dass Patienten nun doch wieder auf den Eigenanbau pochen und damit die Gerichte beschäftigen. Genau das wollte die Bundesregierung aber mit der Gesetzesänderung verhindern. Deshalb soll das Gesetz jetzt konkretisiert werden, damit die Krankenversicherer nicht mehr so viele Schlupflöcher finden und Patienten tatsächlich an die benötigten Arzneimittel gelangen. Das Ziel ist noch nicht erreicht. Quellen: www.cannabis-med.org, www.hanfverband.de Markus Berger

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